• Foto: MOPO-Archiv

Geplanter Wiederaufbau : Kritik an Neubau-Plänen für die Bornplatz-Synagoge

Rotherbaum –

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD)  und Außenminister Heiko Maas (SPD) sind dafür und viele andere Politiker und Prominente auch. Die Rede ist von den Plänen für den Wiederaufbau der monumentalen Synagoge am Joseph-Carlebach-Platz in Rotherbaum. Kritische Stimmen gab es bisher kaum. Das hat sich nun geändert. In einer Stellungnahme bringen acht Experten gewichtige Argumente vor, die gegen den historisierenden Neubau sprechen. Sie fordern eine breite öffentliche Diskussion.

Miriam Rürup

Miriam Rürup plädiert für eine breite Diskussion um den Wiederaufbau. 

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Florian Quandt

Das Schreiben, das der MOPO vorliegt, ist betitelt mit: „Für einen breiten offenen Diskurs über den Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge“.  Unter den Unterzeichnern finden sich die Professorinnen Miriam Rürup, Direktorin des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien, Ursula Büttner von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte an der Uni Hamburg und Gora Jain (Kunstwissenschaftlerin). Außerdem haben neben Ex-Senatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel der bekannte Bauhistoriker Professor Gert Kähler und der Historiker Professor Moshe Zimmermann unterschrieben. In elf Punkten weisen die Verfasser auf die Problematik eines Neuaufbaus der Synagoge hin.

Bornplatzsynagoge in Hamburg: Kritik an Wiederaufbauplänen

Die Experten finden es grundsätzlich schwierig, historische Gebäude, die durch Krieg oder politische Gewaltakte vernichtet wurden, einfach neu zu bauen, sie schreiben: „Geschichte lässt sich nicht rückgängig machen oder revidieren, sondern muss angenommen werden, um Schlussfolgerungen aus ihr zu ziehen.“

Die Rekonstruktion der Bornplatz-Synagoge finden die Unterzeichner auf besondere Weise problematisch, weil „… dadurch das Resultat  verbrecherischer Handlungen unsichtbar gemacht und die Erinnerung an dieses Verbrechen erschwert wird“. Ein Wiederaufbau könne dann schnell eben kein Zeichen für einen Sieg über den Nationalsozialismus sein, sondern vielmehr die Illusion erzeugen, dass nie etwas geschehen sei.

Bodenmosaik von Margrit Kahl würde Neubau um Opfer fallen

Außerdem würden einem Neubau Denkmäler zum Opfer fallen. Dabei handelt es sich einmal um das Bodenmosaik der Künstlerin Margrit Kahl, das den Grundriss der 1939/40 zerstörten Synagoge nachzeichnet. Mehr noch: Laut den Unterzeichnern des Briefes ist der Joseph-Carlebach-Platz in seiner jetzigen „leeren“ Form an sich ein „Zentraler erinnerungskultureller Ort“. Bei Besuchern aus der ganzen Welt löst der leere Platz mit dem Bodenmosaik regelmäßig  „große Bewegung“ aus. Und dieser Platz sei 1988 immerhin durch das Engagement der Jüdischen Gemeinde in genau dieser heutigen Form geschaffen worden. Das Bodenmosaik ist Margrit Kahls wichtigstes Werk und es ist im digitalen Fotoarchiv der weltbekannten Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem verewigt.

Ein weiteres Denkmal ist der Bunker am Joseph-Carlebach-Platz.  Er sei nicht nur ein Denkmal gegen den mörderischen Bombenkrieg, sondern  auch ein Mahnmal, das an den Zusammenhang von Krieg und Judenvernichtung erinnert.  

Nicht nur die Jüdische Gemeinde soll über Bornplatz entscheiden

Die Experten betonen auch, dass es nicht allein Sache der Jüdischen Gemeinde sein könne, über die Gestaltung des Joseph-Carlebach-Platzes zu entscheiden. Die Jüdische Gemeinde ist Teil der Hamburger Stadtgesellschaft. Und nur alle gemeinsam können über das Projekt bestimmen. Im Schreiben heißt es: „Städtebau ist das Ergebnis der Integration vieler gesellschaftlicher Interessen  und Sichtweisen.“

Im 11. und letzten Punkt ihrer Schrift kritisieren die Verfasser  auch den Slogan der  Kampagne für den Wiederaufbau. Er lautet: „Nein zu Antisemitismus – Ja zur Bornplatz-Synagoge.“ Sie erklären, das sei irreführend, man könne durchaus gegen den Wiederaufbau der Synagoge und nicht weniger vehement gegen Antisemitismus sein.

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Die acht Verfasser des Briefs legen Wert auf die Feststellung, dass  sie nicht einfach gegen den historisierenden Aufbau sind, sondern vor allem für eine breite Diskussion darüber, wie jüdisches Leben im Grindelviertel neu gedacht und zeitgemäß und zukunftsgerichtet gestaltet werden kann.  

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