Gericht streicht Bargeld-Obergrenze: Steht die Bezahlkarte jetzt auf der Kippe?
50 Euro Bargeld können erwachsene Asylbewerber in Hamburg pro Monat von ihrer Bezahlkarte abheben. Für eine Schwangere ist das zu wenig, urteilte jetzt das Hamburger Sozialgericht in einem Eilverfahren. Steht die Bezahlkarte damit auf der Kippe? Die MOPO hat nachgefragt, was das Urteil zu bedeuten hat und wie Sozial- und Innenbehörde damit umgehen.
Mit 110 Euro Bargeld lebt die Familie der geflüchteten Antragstellerin derzeit pro Monat (pro Erwachsenen 50 Euro + 10 Euro für ein Kind). Das zweite Kind in ihrem Bauch zählt nicht. Die Beträge hatte die Ministerpräsidentenkonferenz im Juni festgelegt, um zu verhindern, dass größere Summen Bargeld an Verwandte oder Schleuser im Ausland fließen.
Hamburger Sozialgericht: Mehr Bargeld im Einzelfall
Im vorliegenden Einzelfall hat das Hamburger Sozialgericht nun beschlossen, dass die Schwangere in Zukunft mehr Bargeld von der Karte abheben darf. Für ihr dreijähriges Kind sollte ebenfalls mehr als 10 Euro ausgezahlt werden.
Das Gericht bezeichnete die Bezahlkarte nicht als „per se diskriminierend“, entscheidend sei die Ausgestaltung des Karteneinsatzes. Das Gericht fordert daher eine Einzelfallprüfung der Bargeldsumme, was in der Praxis jedoch einen großen Verwaltungsaufwand bedeuten würde. Finanziert wurde die Klage durch Pro Asyl und die Gesellschaft für Freiheitsrechte.
Hamburger Behörden prüfen Beschwerde
Ändert sich jetzt etwas an der Bezahlkarte in Hamburg? „Die Entscheidung des Sozialgerichts stellt die Rechtmäßigkeit und das System der Hamburger Bezahlkarte (SocialCard) nicht infrage“, heißt es auf MOPO-Anfrage in einem gemeinsamen Statement der Sozial- und Innenbehörde.
„Auch eine feste Bargeldobergrenze hält das Gericht nicht per se für rechtwidrig. Am bisherigen Modell in Hamburg ändert sich mit der Entscheidung daher nach jetzigem Kenntnisstand grundsätzlich nichts.“ Geprüft werde nun, ob gegen den Beschluss des Sozialgerichts Beschwerde erhoben wird.
Grüne sehen sich bestätigt, Linke fordern Aufhebung der Beschränkungen
„Uns Grünen wurde vorgeworfen, die auf Ebene der MPK beschlossenen Pläne zu blockieren, aber nun ist klar, dass unsere im Bund und den Ländern geäußerte Kritik an den diskriminierenden Beschränkungen durchaus berechtigt war“, sagt Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg der MOPO.
„Wir begrüßen Verfahrensanpassungen, die zu Erleichterungen der unter Hochdruck arbeitenden Verwaltungen führen, aber eine Bargeldobergrenze, die sich nicht an den Grundrechten und realen Bedarfen orientiert, hilft nirgends für Entlastungen“, so Jasberg weiter.
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Sie nennt es „bedauerlich”, dass erst Gerichte diese Einordnung vornehmen müssten angesichts der aufgeheizten Debatte um das Thema Migration. Es wäre ein „Verzicht auf die diskriminierenden Beschränkungen angezeigt”, sagt Michael Gwosdz, Grünen-Fachsprecher für Flucht- und Religion. Das dürfte erneut Knatsch zwischen Rot-Grün geben.
Die Linke wird aus der Opposition heraus noch deutlicher: Die Entscheidung des Gerichts lasse als erste Konsequenz nur die Aufhebung der Bargeldbeschränkung zu, sagte Carola Ensslen, Expertin für Fluchtpolitik der Linken.