Gewalt an Frauen im Großstadtrevier: Wie spielt man so eine schockierende Rolle?
Er packt sie am Nacken und schmettert ihren Kopf mit aller Kraft gegen eine Stange – Polizeikommissarin Nina Sieveking fällt auf den Boden der U-Bahn, Blut läuft ihr übers Gesicht. Eine drastische Szene, die in dem ersten Spielfilm der Serie „Großstadtrevier“ gezeigt wird. Die MOPO hat mit Wanda Perdelwitz (37), die Nina Sieveking in „St. Pauli, 06:07 Uhr“ spielt, über Zivilcourage und Gewalt an Frauen gesprochen. Der 90-minütige Film läuft am 19. Mai um 20.15 Uhr im Ersten.
„Das Thema Zivilcourage in Verbindung mit Misogynie (Hass auf Frauen – Red.) fand ich spannend und dachte, dass es eine Herausforderung wird und ich erstmal extrem viel recherchieren muss“, so Perdelwitz über ihre ersten Gedanken beim Lesen des Drehbuches. „Ich wusste so gut wie gar nichts über posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)“ – weshalb sie sich akribisch auf die Rolle der Nina Sieveking vorbereitet habe.
St. Pauli: „Großstadtrevier“-Polizistin zusammengeschlagen
Darum geht es in dem Film, der im Gegensatz zu den übrigen Folgen der eher beschaulichen Vorabendserie sehr düster geworden ist: Die Polizistin will eigentlich nur eine Auseinandersetzung zwischen drei Männern schlichten und wird dabei selbst zum Opfer. Als ein Akt zusätzlicher Erniedrigung – gerade für eine Frau – schneidet ihr einer der Täter die Haare ab. „Ich trug eine Langhaarperücke, weil ich schon kurze Haare hatte“, so Perdelwitz.
Das Erlebte löst bei der Polizistin PTBS-Symptome wie Flashbacks und Reizbarkeit aus. Und als wäre das nicht belastend genug, gerät sie selbst ins Visier der Ermittlungen ihrer Kollegen, denn am Hafen wird ein Toter gefunden. Tatwaffe ist Sievekings Pistole. Zu der nervenaufreibenden Suche nach Ninas Peinigern kommt nun auch noch ein Mordfall hinzu.
Perdelwitz: „Auf keinen Fall auf Konfrontationskurs gehen“
An der Polizistin Sieveking solle man sich kein Beispiel nehmen, findet die Schauspielerin Perdelwitz: „Wer sich in einer ähnlichen Situation befindet, soll den Notruf wählen, das Opfer direkt ansprechen und andere Fahrgäste aktiv zur Mithilfe auffordern. Bitte auf keinen Fall allein auf Konfrontationskurs gehen, schon gar nicht als Frau“, warnt sie.
Auch wenn „St. Pauli, 06:07 Uhr“ fiktiv ist, macht der Film doch auf reale Probleme aufmerksam, nämlich dass „bei Gewalt gegen Frauen immer noch von Einzelfällen oder Beziehungstaten die Rede ist und das strukturelle Problem nicht gesamtgesellschaftlich thematisiert wird“, so Perdelwitz. Und: Der Hass mache auch vor einer Uniform keinen Halt.
„Im Gegenteil: Die Uniform wird nicht selten zur Projektionsfläche für politische Missstände“, sagt die Schauspielerin.
Sexismus: Wanda Perdelwitz wünscht sich mehr Aufklärung
Auch Perdelwitz selbst hat nachts ein mulmiges Gefühl, wenn sie alleine in der Bahn unterwegs ist: „Ich bin dann achtsamer, aber nicht ängstlich. Meine Devise ist: Vorsicht statt Angst.“
Insgeheim träume sie von einer Gesellschaft, in der niemand Angst haben oder sich schützen müsse. „Was die Themen Sexismus und Misogynie betrifft, erhoffe ich mir zukünftig mehr politische Aufklärung“, so die 37-Jährige und fügt hinzu: „Erst wenn es im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen ist, kann sich auch etwas verändern.“
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Von dem Film erhofft sie sich, dass er die Zuschauer:innen dazu anregt, sich zu informieren, zu helfen oder sich Hilfe zu holen, wenn sie selbst in vergleichbare Situationen kommen.