Google hilft Hamburger Behörde: Amt fordert Abrisse von Garagen und Schuppen
Wilhelmsburg –
Beschauliche Straßen, Sackgassen, kleine Einzelhäuser entlang des Wasserlaufs Mühlenwettern – die Siedlung zwischen Kirchdorfer Straße und Neuenfelder Straße in Wilhelmsburg ist eine Oase der Ruhe. Doch jetzt ist es damit vorbei. Die Bewohner sind auf Zinne. Vielen waren amtliche Schreiben ins Haus geflattert mit der Aufforderung, Schuppen, Garagen oder Wintergärten umgehend abzureißen.
Den Briefen vom Bezirksamt Mitte waren „Beweisfotos“ beigelegt. Und diese stammten von „Google Earth“. Im Fall von Reinhard Wyciak (69), der in der Straße Am Alten Gericht lebt, waren gleich fünf Bauten, Garage, Schuppen und Anbauten, auf dem Bild rot markiert mit der Bemerkung, diese seien ohne Genehmigung errichtet worden. Weiter heißt es in dem Behördenschreiben: „Zur Wiederherstellung ordnungsgemäßer Zustände beabsichtigt die Bauaufsichtsbehörde, den Abbruch und die Beseitigung anzuordnen.“
Ärger in Hamburg: Amt will Anbauten abreißen – Anwohner sauer
Reinhard Wyciak steht neben seinem Gewächshaus, das auch plattgemacht werden soll, und macht seinem Ärger Luft: „Ich wohne hier mit Frau und Sohn in dritter Generation. Die Gebäude stehen hier teilweise seit mehr als 45 Jahren. Nie gab es Probleme oder Beschwerden.“
Der Rentner sieht sich als Opfer von Behördenwillkür und will sich wehren genau wie Nachbar Sven Kallweit (52). Der Inhaber eines kleinen Sanitär- und Heizungsbetriebs hat einen Fachanwalt eingeschaltet. Betroffen seien als Hausbesitzer seine betagten Eltern: „Die sind schon 85 und 87 Jahre alt, und für beide ist das natürlich eine schlimme Aufregung. Ich sehe das nicht ein. Der Mittelstand soll wie immer mal wieder bluten.“
Das Bezirksamt Mitte erklärte auf MOPO-Anfrage, dass im Rahmen der üblichen Tätigkeit der Bauprüfabteilung aufgefallen sei, „dass in diesem Bereich gehäuft ungenehmigte Bauten errichtet worden sind.“
Alle Betroffenen seien angeschrieben worden, neben einem Abriss gebe es auch die Möglichkeit, nachträglich Bauanträge zu stellen. Bezirksamtssprecherin Sorina Weiland weiter: „Dann wird ergebnisoffen geprüft, ob die Gebäude genehmigungsfähig sind oder abgerissen werden müssen.“
Der Schauplatz des Streits hat übrigens eine interessante Geschichte, hieß vor dem Krieg „Hermann-Göring-Siedlung“. Die Nazis wollten Hafenarbeitern die Möglichkeit geben, im eigenen Häuschen zu wohnen.
Unter der Patenschaft von „Reichsmarschall“ Göring entstand die Siedlung, indem Ackerland von Bauern ab 1934 durch den Reichsarbeitsdienst trockengelegt wurde. Es entstanden Dutzende nur je 56 Quadratmeter große Doppel-Fachwerkhäuser mit einer Eichenbalken-Konstruktion.
Schwarzbauten in Wilhelmsburg
Die Bewohner waren angehalten, sich durch Kleinviehhaltung, Obst- und Gemüseanbau selbst zu versorgen. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden dann einige kleine Rundbunker angelegt. Doch Bomben fielen hier kaum. Nach 1945 ist dann viel neu gebaut worden und auch die jetzt amtlich bemängelten „Schwarzbauten” entstanden nach und nach.