Recyclehero: Dieses Hamburger Start-up holt Ihre Wertstoffe ab
Altglas, Pfand, Papier, Pappe: Der Berg auf dem Balkon wurde immer höher. Ab und an kam eine Taube vorbei und kackte obendrauf. Dabei war der Container nur 150 Meter entfernt. „Niemand in unserer WG fühlte sich verantwortlich für den Müll“, sagt Nadine Herbrich (36). Um das Problem zu beheben, wollte sie gemeinsam mit ihrem Mitbewohner Alessandro einen Plan machen. Der wurde größer und größer. Am Ende war die Vision zu „Recyclehero“ geboren. Einem Abholservice für recycelbare Wertstoffe.
Sicherer Job. Gutes Einkommen. Feste Arbeitszeiten. Nadines Leben lief in geregelten Bahnen. Nachdem ihr großer Wunsch, Tiermedizin zu studieren, nicht geklappt hatte, schwenkte sie auf Immobilienwirtschaft um. Warum? Das kann sie heute nicht mehr so genau sagen. Es schien ihr eine solide Ausbildung. „Aber mein Herz war da überhaupt nicht involviert.“ Der Abend, an dem die Vision für „Recyclehero“ am WG-Küchentisch im Grindelviertel geboren wurde – fast wie eine Befreiung.
Nach wenigen Monaten kündigte Nadine ihren Job bei einem Projektentwickler und machte sich mit Alessandro auf den Weg. Sieben Monate durch Europa mit dem Camper. Abstand gewinnen. Und einen konkreten Plan für „Recyclehero“ erarbeiten.
Podcast „Grüne Gründer“: Start-up „Recyclehero“ holt Ihre Wertstoffe ab:
Nach einer dreimonatigen Pilotphase war es dann im Sommer 2019 soweit – der erste Abholservice für recycelbare Wertstoffe in Deutschland ging an den Start. Das Konzept: Die Kunden bekommen Sammelboxen oder Big Bags, um ihre Wertstoffe darin zu sammeln. Mit mittlerweile sechs Lastenrädern werden die Behälter mit Altglas, Altpapier und Pfand beim Kunden abgeholt. Seit sechs Monaten holt das Startup auch Altkleider bei Privathaushalten ab.
„Wir sorgen dafür, dass die Sachen so schnell wie möglich wieder in den Kreislauf kommen. Altkleider werden an lokale und regionale Second-Hand-Shops verkauft. Für niedrigere Qualitätsstufen suchen wir fortlaufend nach lokalen Partnern für Upcycling- und Downcycling-Lösungen“, sagt die Frau, die aus einer Malerhandwerks-Familie aus Braunsbedra (Sachsen Anhalt) stammt.
Die Abholung von Altglas, Altpapier und Pfand kann als Abo oder auch einmalig gebucht werden. Nicht nur Privatkunden nutzen den Service. Auch Restaurants, Shops und Büros. Harte Arbeit für die Fahrer. Denn eine Kiste wiegt bis zu 20 Kilogramm. „Allerdings sind die Räder mit Elektroantrieb. Sonst würde das nicht funktionieren“, sagt Nadine und fügt hinzu, dass das Geld für die Pfandflaschen in soziale Projekte fließt. Momentan in zwei eigene Projekte des Start-ups. Die „Straßensuppe“, bei der es um die Versorgung von obdachlosen Menschen geht. Und den „WärmBert“. Eine Wärmflasche, die im vergangenen Winter an 720 Obdachlose verteilt wurde. In diesem Jahr sollen es sogar 800 „WärmBerts“ sein.
10.000 Euro für Projekte mit Zukunft
Wie kommt man drauf? Wie funktioniert das? Wie hält man das durch? Wofür braucht man das? Die MOPO und About You stellen Hamburger Macher:innen und ihre nachhaltigen Start-Ups vor. Jeden zweiten Freitag in der Zeitung. Und im Netz unter mopo.de/gruenegruender. Hier gibt’s auch den Podcast im Elevator-Pitch-Format. Im Herbst küren die MOPO und About You-Mitgründer Tarek Müller das vielversprechendste Projekt von allen vorgestellten Gründer:innen. Es gibt ein Preisgeld von 10.000 Euro.
Neben der Nachhaltigkeit ist den Machern von „Recyclehero“ auch soziales Engagement ein großes Anliegen. „Unsere Heros sind unsere Mitarbeiter:innen. Einige von ihnen haben speziellere Lebensläufe, die einen normalen Jobeinstieg schwierig machen.“ Das Unternehmen beschäftigt zum Beispiel Langzeitarbeitslose oder Mitarbeiter:innen, die kaum deutsch sprechen.
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Für Nadine sind es die schönsten Momente, wenn sie morgens mit ihren Mitarbeiter:innen vor der Garage der Zentrale an der Stresemannstraße (Sternschanze) steht und sich austauscht. Oder wenn sie sich ihr anvertrauen. Sie ist nicht die Oberchefin. Sie ist Kollegin. Vertraute. „Ich bin froh, dass sie mir ihre Probleme erzählen. Ich bin keine Psychologin, versuche aber praktische Hilfe zu leisten.“
Zahlen, Daten, Fakten
Mitgründerin Nadine Herbrich (36) vom Start-up Recyclehero.
Idee: 2017
Gründung: Sommer 2019
Startkapital: 24.000 Euro, die über ein Crowdfunding eingenommen wurden.
Mitarbeiter heute: 20
Wie viele Mitarbeiter sollen es in 5 Jahren sein? 300
Das Ziel ist klar: Nadine und ihr Team wollen etwas verändern. „Wir wollen das Thema Recycling in den Köpfen der Menschen positiv verankern. Jeder trägt die Verantwortung für seinen eigenen Müll.“ Und sie wollen wachsen. In fünf Jahren soll es in 20 deutschen Städten „Recycleheros“ geben. „Dann sind wir ein Rockstar der Kreislaufwirtschaft. Wir entfernen die Bezeichnung Müll aus den Köpfen der Menschen und ersetzen sie durch Wertstoffe. Sky is the limit“, sagt Nadine und lacht.
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Ihr Engagement ist groß. Allerdings wäre es auch nicht schlecht, wenn irgendwann ein klein wenig mehr abfallen würde. Für den Moment sei sie aber sehr oft sehr glücklich – über die positive Resonanz ihrer Kund:innen und ihr tolles Team. „Meine Vergütung erfolgt in anderer Form.“ Das zählt für sie mehr als Geld.