• Johannes Riffelmacher, Mitinhaber des Restaurants „Salt & Silver" auf St. Pauli, schrieb einen bewegenden Post über die Festnahme seines Mitarbeiters Issi.
  • Foto: Florian Quandt

Hafenstraße: Hamburg: Spüler festgenommen – emotionaler Brief von Gastronom

St. Pauli –

„Ein offener Brief an die Beamten, die unseren Spüler mitgenommen haben“, so beginnt der Post von Johannes Riffelmacher, Mitgründer des Restaurants „Salt & Silver“ an der Hafenstraße. Mehr als 115.000 Menschen haben der Beitrag über die sozialen Medien bereits gelesen. Riffelmacher schildert darin die Verhaftung des Tellerwäschers „Issi“, den die Polizei fälschlicherweise für einen Drogendealer hielt. Und wie es am Ende nur Verlierer gab.

„Issi“ war seit Januar 2019 als Tellerwäscher in dem beliebten Restaurant an der Hafenstraße angestellt, zuverlässig, fleißig, immer freundlich. Was seine Chefs nicht wussten: Der junge Ghanaer hatte sich mit falschen Papieren bei der Zeitarbeitsfirma angemeldet. Das kam nun nach einem Polizeieinsatz an der Hafenstraße heraus.

Am Ende war zwar kein Dealer gefasst, dafür war ein Tellerspüler ohne Arbeitserlaubnis aufgeflogen. Die Polizei erklärt auf MOPO-Nachfrage, dass der Einsatz regelkonform abgelaufen sei und „ein Anfangsverdacht ein Strafverfolgungsinteresse begründe“. Issis Chef Johannes Riffelmacher sieht das anders. Die MOPO sprach mit ihm über einen hochgeschätzten Mitarbeiter, ständige Polizeikontrollen vor seiner Restauranttür und die Schwierigkeit, Spüler zu finden.

MOPO: Herr Riffelmacher, was ist am Nachmittag des 4. März passiert? 

Johannes Riffelmacher: Ich saß im Restaurant am Tisch und sah plötzlich unseren Spüler Issi draußen mit panischen Augen, wie er nach der Tür griff, hinter ihm ein blonder Mann in Bomberjacke, der ihn festhielt. Ich bin sofort raus und dazwischen gegangen, sagte „Issi, go inside“. Der Mann sagte, er sei Polizist in Zivil, ich antwortete, okay, Sie sind Polizist, das ist unser Spüler, er arbeitet hier, sein Name ist Issi. Der Polizist sagte, Issi ist weggerannt als wir ihn kontrollieren wollten, ich sagte, das wundert mich nicht, guckt euch doch mal an, da ist ein dunkelhäutiger Mann in Deutschland vor Männern in Bomberjacke und Trainingshose weggelaufen.

Und dann?

Dann stürmten sie in die Küche, nahmen Issi mit raus und machten uns klar, dass wir nichts zu melden haben. Sowas in seinem eigenen Laden, das ist nicht schön. Das zeigt auch eine Rücksichtslosigkeit uns gegenüber, egal, ob sie im Recht waren oder nicht. 

Laut der Polizei lag der Verdacht einer Straftat vor. Wie hätte der Beamte vor Ort denn reagieren sollen?

Ich weiß, dass sich die Beamten rechtmäßig verhalten haben. Aber sie hätten sich auch für Menschlichkeit entscheiden können, als ihnen klar wurde, dass Issi Spüler und kein Drogendealer ist. Sie hätten sagen können: „Sagen Sie Ihrem Mitarbeiter, der soll beim nächsten  Mal nicht so blöd sein und vor einer Kontrolle weglaufen. Und Sie führen sich hier mal nicht so auf.“ Und dann die Sache auf sich beruhen lassen. Die Beamten waren doch dabei, Drogendealer zu suchen, und nicht Spüler. Ja, Issi ist vor der Kontrolle weggelaufen. Aber warum wollten sie ihn denn überhaupt kontrollieren? Er ist einfach die Straße lang gelaufen, auf dem Weg zu seinem Job. Ich finde es liegt auf der Hand, dass das was mit seiner Hautfarbe zu tun hat. 

Ihr Restaurant ist dicht an einem stadtbekannten Drogenverkaufsplatz, haben Sie hier öfter mal Besuch von der Polizei?

Wenn meine Mitarbeiter gegenüber vom Restaurant stehen und rauchen, werden sie regelmäßig von der Polizei kontrolliert, weil es im Park oft nach Marihuana riecht. Und besonders unsere beiden festangestellten Spüler aus Ghana und unser syrischer Azubi werden auf dem Weg zur Arbeit kontrolliert. Da würde man lügen, wenn man sagt, das hat mit der Hautfarbe nichts zu tun. Wenn ich dann zur Polizei sage, bitte nicht, die müssen zurück an die Arbeit, dann werde ich schroff zurückgewiesen. Ich sehe aber nicht, dass diese ständigen Kontrollen irgendetwas ändern. Im Gegenteil, für jeden festgenommenen Dealer kommen zwei neue. Und die Kollateralschäden bei Anwohnern und Leuten, die hier arbeiten, werden auch mehr. 

Was könnte die Polizei besser machen?

Das weiß ich nicht, ich bin nur Gastronom. Ich empfinde ebenso Empathie für die Beamten, die jeden Tag in diesem Viertel gegen Drogenkriminalität ankämpfen. Sie sind nicht Schuld daran, dass auf politischer Ebene keine Lösung für die vielen Menschen ohne Arbeitserlaubnis gefunden wird. Ich sehe: Die jungen Männer an der Ecke verkaufen Drogen, weil sie nicht arbeiten dürfen. Issi hatte auch keine Arbeitserlaubnis, aber er hat sich entschieden, nicht zu dealen, sondern sich mit falschen Papieren bei einer Zeitarbeitsfirma anzumelden und einen knüppelharten Job anzunehmen, den sonst keiner machen will. Und jetzt wurde ihm der Teppich unter den Füßen weggezogen. All diesen Leuten, die jetzt sagen „So ist der Rechtsstaat“, denen sag ich: „Ja, ihr habt ja Recht. Trotzdem hat ein junger Mann jetzt keine Perspektive mehr.“  Und wir haben einen sehr geschätzten, fleißigen, immer freundlichen Mitarbeiter verloren. Niemandem hat diese Aktion einen Nutzen gebracht.

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Johannes Riffelmacher im Gespräch mit MOPO-Redakteurin Stephanie Lamprecht

Foto:

Quandt

Warum ist es so schwer, Spüler mit Papieren zu finden?

Vielleicht, weil die Leute mit Papieren angenehmere Jobs finden? Ich weiß es nicht. Wir wollen natürlich nur jemanden mit Papieren einstellen. Bei zwei Spülern ist uns das ja auch gelungen, aber es ist schwer. In der Hamburger Gastronomie gibt es tausende unbesetzte Stellen. Es gibt einen Haufen dreckiger Teller, es gibt Leute, die sie spülen wollen und Gastronomen, die sie dafür bezahlen wollen. Warum kann man die nicht einfach machen lassen?

Wie geht es jetzt mit Issi weiter?

Das weiß nicht mal Issi selbst. Es haben sich einige Menschen bei mir gemeldet, die ihm helfen wollen. Anwälte, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Wir werden versuchen, Issi auf seinem schwierigen Weg zu unterstützen. 

In dem offenen Brief spannen Sie den Bogen bis nach Griechenland.

Ja. Ich finde es schrecklich, was an der Außengrenze der EU aktuell passiert. Issi saß auch einmal in einem Schlauchboot. An der Situation in Griechenland kann ich nichts ändern, aber ich kann jemanden, der es hierher geschafft hat und der Teller spülen will, Teller spülen lassen und ihn dafür bezahlen. Das kann ich tun.

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