Gräber sollen Hafenautobahn weichen – Angehöriger wehrt sich
In Wilhelmsburg sollen etwa 40 muslimische Grabstätten auf dem Friedhof Finkenriek versetzt werden. Die Gräber liegen auf der Strecke für die Hafenautobahn A26-Ost. Betroffen sind auch die beiden Grabstätten der verstorbenen Brüder von Kehad Isa. Seit Jahren kämpft der 47-Jährige dagegen, sie „noch einmal beerdigen zu müssen.“
„Dazu hätte meine Mutter auch nicht mehr die Kraft. Das belastet mich nervlich und schafft schlaflose Nächte“, sagt Isa im Gespräch mit der MOPO. Seit 2013 weiß er von den Plänen. Bauherr ist die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) des Bundes.
A26-Ost: Hamburgs neue Hafenautobahn
Die A26-Ost soll eine Querverbindung zwischen der A1 und der A7 schaffen. Hamburg will damit die Anbindung an den Hafen verbessern und den Verkehr entlasten. Ende dieses Jahres könnten die Arbeiten für die zehn Kilometer lange Strecke in drei Bauabschnitten starten. Der nördliche Teil des Friedhofs Finkenriek liegt genau auf der geplanten Autobahnlinie.
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Schon vor acht Jahren entschied der Bezirk Hamburg-Mitte, keine Bestattungen mehr auf diesem Teil des Friedhofs zuzulassen. „2019 hieß es dann vom Bezirk, man wolle den Friedhof verkleinern“, sagt Isa. Darüber habe es aber nur eine Information im Bundesanzeiger gegeben. Wenn ihn nicht jemand darauf aufmerksam gemacht hätte, wäre die Sache entschieden gewesen. „Als ich geklagt habe, zog die Stadt ihre Ankündigung schnell zurück“, so Isa.
Deges: Wahrung der Totenruhe nicht garantiert
„Mich interessiert nur das Versprechen, dass ich meinen Brüdern vor Gott gegeben habe, dass sie hier ihre letzte Ruhe finden“, sagt er. Eine Umbettung sei im Islam nur in Ausnahmefällen wie bei Naturkatastrophen möglich. Die Deges sieht das anders, sie habe sich auch mit Imamen ausgetauscht. „Uns wurde gesagt, dass eine Umbettung im Islam aus religiöser Sicht möglich ist. Rein rechtlich besteht da kein Zweifel“, sagt Sebastian Haß, der zuständige Abteilungsleiter.
Er könne verstehen, dass es eine „höchst emotionale Angelegenheit ist“, deshalb habe man es sich nicht leicht gemacht. Die Deges hatte verschiedene Bauverfahren untersucht, aber die Bodenverhältnisse seien schwierig. „Das Ergebnis ist, dass wir bei keiner Variante die Wahrung der Totenruhe hätten garantieren können“, so Haß.
Friedhof Finkenriek: „Meine Brüder sollen dort liegen bleiben“
„Von mir aus können Sie auch andere Lösungen finden, wie einen Tunnel oder eine Betonplatte über den Gräbern, mir ist nur wichtig, dass meine Brüder dort liegen bleiben“, sagt Isa. Er ist selbst Ingenieur und überzeugt „es gibt kein bauliches Problem, dass sich mit Geld nicht lösen ließe. Wir haben auch einen großen Tunnel unter die Elbe gebracht und da ist nix eingestürzt.“
Zur Verlegung der muslimischen Grabstätten suchten Bezirk und DEGES gemeinsam ein Baufeld in der Mitte des Friedhofs aus, auf dem vorher Gerätschaften gelagert wurden. 103 Grabstellen und ein muslimisches Waschhaus entstanden in kurzer Zeit. Insgesamt sollen die Maßnahmen rund 2 Millionen Euro gekostet haben.
Eine kleine Ausgabe im Verhältnis zu den Gesamtkosten für das Projekt. Mit geschätzten 1,85 Milliarden Euro wird die zehn Kilometer lange A26-Ost deutlich teurer als bislang angenommen. Im vergangenen Jahr war noch von rund einer Milliarde die Rede.
Ehemalige Anträge wurden abgelehnt
„Seit Jahren wurde hier für ein Waschhaus gekämpft“, sagt Isa. „Als die Autobahn gebaut werden sollte, spendierte die Deges plötzlich ein nagelneues Waschhaus mitten auf dem Friedhof.“ Tatsächlich hatten sich Gläubige und Politiker seit 2010 für den Bau eines Waschhauses zur Reinigung der Verstorbenen direkt auf dem Friedhof eingesetzt. Sämtliche Anträge waren abgelehnt worden: Zu selten die Nachfrage, zu hoch die Kosten.
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„Wir wollen uns mit dem Waschhaus kein Wohlwollen erkaufen“, sagt Haß. Das Anliegen des Deges sei es die Maßnahmen „am Ende für alle zufriedenstellend und respektvoll“ abzuschließen. Angehörigen bietet die Deges jetzt schon eine „freiwillige“ Umbettung ihrer Verwandten auf das neue Gräberfeld an. Im März dieses Jahres sind ein Drittel der etwa 40 Grabstellen in einer Zeremonie, bei der auch ein Imam anwesend war, verlegt worden.
Muslimischer Friedhofsteil soll geschlossen werden
Das Planfeststellungsverfahren für den Bauabschnitt läuft noch. „Letztendlich entscheidet die Planfeststellungsbehörde über die Aufgabe des nördlichen Teils des Friedhofs“ sagt Haß. Die Deges hofft 2022 auf einen Beschluss der Behörde. Sobald er da ist, wäre das Umbetten nicht mehr freiwillig. „Wenn er nicht beklagt wird, könnten wir 2023 anfangen“, prognostiziert Haß.
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Für die Autobahn müssten auch mehrere Wohnhäuser und Grünflächen weichen. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) befasst sich ebenfalls mit der Angelegenheit. Khead Isa sagt, er will, solange er lebt, gegen die Umbettung seiner Brüder kämpfen. Der 47-Jährige hat Einspruch gegen das Planfeststellungsverfahren eingelegt. „Ich gebe nicht auf, bis ich Beweise sehe oder ein Urteil gesprochen wurde. Dafür würde ich auch bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen.“