Hamburg historisch: Die Tragödie des Dampfseglers „Austria“
Innerhalb weniger Minuten waren 456 Passagiere und Besatzungsmitglieder tot. Einige wenige starben durch Feuer, die meisten ertranken, als sie sich vor dem Feuer retten wollten – denn in Panik zerschlugen die Menschen drei der acht Rettungsboote. Vier weitere Boote verbrannten. Nur eins konnte dem Inferno entkommen.
Was wir hier beschreiben, hat sich am 13. September 1858 vor Neufundland abgespielt, und zwar an Bord des Dampfschiffes „Austria“, das der Hamburger Reederei Hapag gehörte. An Bord waren insgesamt 545 Passagiere – die meisten Auswanderer, die davon träumten, in der Neuen Welt ein neues Leben zu beginnen. Aber nur 89 Passagiere und Crewmitglieder überlebten die Brandkatastrophe.
Hamburg historisch: Schiffstragödie kostet 456 Menschen das Leben
Mitte des 19. Jahrhunderts begann die große Auswandererwelle: Armut und Hunger und insbesondere die misslungene Revolution 1848/49 waren der Grund, weshalb immer mehr Menschen Europa den Rücken kehrten. Es gab keine Freiheit, keine Demokratie, keinen Wohlstand, sondern nur Not und Unterdrückung.
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1847 gründeten 33 betuchte Hamburger die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft, kurz Hapag. Das Ziel: den Bremer Reedereien, die bis dahin fast allein am Auswanderergeschäft verdienten, Konkurrenz zu machen. Die Hamburger wollten auch ein Stück vom Kuchen. Notdürftig zogen sie in ihre Schiffe Zwischendecks ein – lichte Höhe 1,72 Meter, das war Vorschrift – und dann zwängten sie auf engstem Raum die Menschen zusammen.
Hamburg historisch: Viele Menschen sterben an Bord
In einem Bericht der US-Einwanderungsbehörde werden die Zustände auf einem dieser Schiffe so beschrieben: „In einer wahren Hölle waren 150 Personen für 70 Tage lang eingepfercht. Der Schmutz vom oberen Raum floss herunter in den Menschenstall, in dem es kein Tier lange ausgehalten hätte.“
Es herrscht hohe Sterblichkeit. 1886 beispielsweise kamen an Bord der „Leibnitz“, die zur Reederei Sloman gehörte, von 544 Passagieren 100 nicht lebendig in New York an. Es stellte sich schnell heraus weshalb: Die Verpflegung war verschimmelt, es gab kaum Wasser und Medikamente. Und ein Arzt war nicht an Bord.
Hamburg: Die „Austria“ legte 1858 im Hafen ab
So oder so ähnlich werden auch die Zustände auf der „Austria“ gewesen sein, als sie am 1. September 1858 in Hamburg ablegte. Drei Tage später wurden in Southampton weitere Passagiere an Bord genommen. Am 18. September sollte das Schiff in New York eintreffen. Wie es Vorschrift ist, wurde das Schiff kurz vor der Ankunft vor den Neufundlandbänken im Atlantik auf hoher See desinfiziert – und dabei geschah das Unglück.
Der erste Fehler: Statt die Decks mit Essig zu desinfizieren, wurden sie mit Teer ausgeräuchert. Dazu wurde Teer in einen Bottich gegeben, anschließend eine rotglühende Kette eingetaucht. Rauch entstand.
Hamburg historisch: Feuer-Katastrophe auf der „Austria“
Darüber, was dann passierte, herrscht Uneinigkeit: Die einen sagen, der Matrose habe die Kette fallen lassen, weil sie zu heiß war. Andere sagen, Passagiere hätten den Bottich mit dem Teer umgestoßen. In jedem Fall brach Feuer aus. Und als dann auch noch der Versuch unternommen wurde, Teer mit Wasser zu löschen, war die Katastrophe perfekt: Riesige Flammen loderten, die sich immer weiter ausbreiteten. Schnell war der vordere vom hinteren Teil des Schiffes abgeschnitten, so dass niemand mehr zur Dampfmaschine gelangen und sie abstellen konnte. Deshalb fuhr das Schiff mit zehn Knoten Geschwindigkeit weiter – und der Fahrtwind fachte das Feuer zusätzlich an.
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Spätestens als es auch noch zu einer Explosion kam und Kapitän F. A. Heydtmann den Schrei ausstieß „Wir sind alle verloren!“, brach Panik an Bord aus. Heydtmann selbst war der Erste, der sich in ein Rettungsboot begab, aber er ertrank beim Versuch, sich mit einem Tau abzuseilen. Viele Passagiere sprangen über Bord. Von ihnen wurde ein Teil von der Schiffsschraube der „Austria“ unter Wasser gezogen, ein anderer Teil von ihr zerfetzt.
Hamburg historisch: Andere Schiffe eilen der „Austria“ zu Hilfe
Die französische Bark „Maurice“ und das norwegische Segelschiff „Catarina“ eilten als Erste den Schiffbrüchigen zu Hilfe. Sie konnten 89 Passagiere und Besatzungsmitglieder retten – darunter Theodore Eisfeld aus Wolfenbüttel, der seit 1849 Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker war. Er trieb bewusstlos im Wasser, als die Retter ihn bargen.
Zu den vielen Todesopfern zählte Henriette Wulff, eine enge Freundin des dänischen Dichters Hans Christian Andersen. Nicht überlebt hat auch Alexander Friedländer, einer der Aktivisten der Revolution von 1848/49.
Am 3. November 1858 verlieh der Senat der Hansestadt Hamburg den Kapitänen der „Maurice“ und der „Catarina“, Ernest Renaud und C. A. Funnemark, die Ehrendenkmünze in Gold – als Dank für ihren Einsatz.
Der Untergang der „Austria“ gilt als schwerste Schiffskatastrophe in der Zeit der Auswanderung. 456 Passagiere und Crewmitglieder starben.