Es sei „nicht Mal das Mindeste“: Der Hamburger Rapper „Disarstar“ hat einen Bügel auf einer Parkbank abgeflext. Im MOPO-Interview erklärt der Künstler die Hintergründe seiner Aktion.
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„Das Mindeste, was man tun kann“: Warum dieser Rapper Anti-Obdachlosen-Bügel wegflext

Steine, Blumenkübel, Metallbügel oder Zacken: So werden in Hamburg Obdachlose von Bänken und anderen Orten ferngehalten. Dem Hamburger Rapper „Disarstar“, der mit bürgerlichem Namen Gerrit Falius heißt und schon lange auf St. Pauli lebt, ist diese obdachlosenfeindliche Architektur schon lange ein Dorn im Auge. Im MOPO-Interview erklärt der 28-Jährige, wieso er nun zur Flex gegriffen hat, was die Politik tun sollte und ob er weitere Aktionen plant.

MOPO: Wieso hast du auf St. Pauli Betonbügel von einer Parkbank weggeflext?

Gerrit Falius: Es geht um drei Bügel auf einer Parkbank, deren einzig ersichtliche Funktion ist, dass sich Wohnungslose dort nicht hinlegen können. Auf St. Pauli bin ich ständig mit Obdachlosigkeit konfrontiert und diese Bügel waren mir schon lange ein Dorn im Auge.  

Das Video, in dem du die Bügel entfernst, heißt: „Nicht Mal das Mindeste“. Was willst du damit ausdrücken?

Sozialpolitik ist keine Privatsache. Es ist eigentlich die Aufgabe des Staates, das Problem der Wohnungslosigkeit zu bewältigen. Und dieser Verantwortung kommt der Staat nicht nach. Die Aktion ist letztendlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein und soll die Problematik veranschaulichen. Was ich da gemacht habe, ist also nicht Mal das Mindeste, was zu tun ist.

Das Leid von Obdachlosen ist auch immer wieder Thema in deinen Songs. Wieso?

Ich lebe mein halbes Leben lang auf St. Pauli und habe deshalb einen starken Bezug zu der Problematik. Ich habe das Thema beständig vor Augen. Früher habe ich mich in meinen Songs den großen geopolitischen Themen gewidmet, aber in der letzten Zeit beziehe ich mich immer mehr auf die Sachen, die ich tagtäglich vor Augen habe. Und wenn man ein bisschen Empathie hat und ein bisschen Verständnis für systemische Zusammenhänge, dann kann man sich vorstellen, wie schrecklich das Leben auf der Straße ist. Deshalb finde ich es so wichtig, über das Thema zu sprechen. 

Gerrit Falius alias „Disarstar“ mit seinem Hund im Kiez – der Hamburger Rapper kämpft gegen obdachlosenfeindliche Architektur. Marius Röer
Gerrit Falius alias „Disarstar“ mit seinem Hund im Kiez – der Hamburger Rapper kämpft gegen obdachlosenfeindliche Architektur.
Gerrit Falius alias „Disarstar“ mit seinem Hund im Kiez – der Hamburger Rapper kämpft gegen obdachlosenfeindliche Architektur.

Am Ende des Videos hast du das „CaFée mit Herz“ auf St. Pauli eingeblendet und für Spenden geworben. Was verbindet dich mit dem Ort?

Ich gehe dort jeden Tag mindestens zwei Mal mit meinem Hund vorbei. So komme ich immer wieder mit Leuten in Kontakt und habe da einen täglichen Austausch. Ich habe den Eindruck, die machen dort eine tolle Arbeit. Deswegen ist es naheliegend für mich gewesen, dass ich diesen Ort am Ende des Videos einblende und um Spenden bitte.

Disarstar: „Ich würde leerstehende Wohnungen enteignen“

Was sollte jetzt konkret von der Politik unternommen werden – gerade in Hinblick auf den anstehenden Winter? 

Eine große politische Forderung wäre, dass man mit Wohnraum kein Geld zu verdienen hat – Wohnraum ist zum Wohnen da. Und wenn man durch einen Stadtteil wie St. Pauli geht, wo es eine so große Nachfrage nach Wohnraum gibt, dann sieht man, wie viel Leerstand es dort gibt. Das sind alles Spekulationsobjekte. Ich würde die ganzen leerstehenden Wohnungen enteignen und dann dort Obdachlose einziehen lassen. Wohnen ist, wie Essen und Trinken, ein absolutes Menschenrecht, das jedem zustehen soll – ohne Diskussion und Gegenleistung.

Und was sollte deiner Meinung nach jede:r einzelne tun, um zu helfen?

Es gibt natürlich die Notwendigkeit zu spenden – und dass es diese Notwendigkeit gibt, ist eine Katastrophe und ein sozialpolitischer Skandal. Es geht um strukturelle Probleme, die nicht Privatpersonen und nicht individueller Aktivismus überwinden können. Aber gerade im Hinblick auf den anstehenden Winter, sollte man ein Bewusstsein für die schwierige Situation der Obdachlosen haben und das nicht einfach ausblenden. Ich wünsche mir einen respektvollen, höflichen Umgang mit Obdachlosen. Man sollte helfen, wo es geht – dabei aber nicht übergriffig sein. Es geht letztendlich darum, diese Menschen als das zu sehen, was sie sind: nämlich als Menschen. Und das braucht einen Umgang auf Augenhöhe.  

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Gibt es in Hamburg noch mehr obdachlosenfeindliche Architektur?

Ja, bei der Kersten-Miles-Brücke wurden vor ein paar Jahren beispielsweise große Steine hingelegt, damit sich da niemand mehr aufhalten kann. Die Maßnahme hat um die 100.000 Euro gekostet. Das Geld wäre natürlich woanders besser aufgehoben gewesen. Wenn man mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht man obdachlosenfeindliche Architektur überall. 

Und welche davon zerstörst du als nächstes?

Konkrete Pläne habe ich nicht, aber ich habe ein paar Ideen. Vielleicht ja auch was anderes als flexen. 

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