Hamburger Ex-Linke gründen eigene Wählervereinigung
Das linke Spektrum zerfleddert in Hamburg immer weiter: Nachdem einige ehemalige Linken-Abgeordnete ihren Übergang zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) verkündet hatten, wollen jetzt drei weitere Ex-Linke mit einer ganz neuen Liste in die Bürgerschaft einziehen. Was fordern sie und vor allem: Haben sie überhaupt eine Chance? Das hängt auch von einer entscheidenden Sache ab.
Gegründet wurde die Wählervereinigung von den früheren Linken-Abgeordneten Mehmet Yildiz und Martin Dolzer sowie dem Ex-Landeschef Keyvan Taheri. Sie nennt sich „Die Wahl für Frieden und soziale Gerechtigkeit“ und wirbt mit einem Wal im Logo. An erster Stelle in ihrem Wahlprogramm fordern sie „einen sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte über den Hamburger Hafen“. Das hatten Dolzer und Yildiz schon vor zwei Jahren mithilfe einer Volksinitiative versucht zu erreichen. Schließlich überwarfen sie sich komplett mit ihrer alten Partei, erklärten, sie stünde der Friedensbewegung eher im Weg.
Wählervereinigung lehnt Rüstungsexporte an die Ukraine ab
Wie das BSW lehnen sie weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ab und werben für einen „Dialog im Bewusstsein der Entstehung des Konflikts und Entspannungspolitik in Richtung Russland“. Was passiert, wenn Russland aber gar nicht in diesen Dialog eintritt, geschweige denn die besetzten ukrainischen Gebiete nicht zurückgeben will, wird ausgelassen – genauso wie die Tatsache, dass Hamburg dabei überhaupt keine aktive Rolle spielen könnte. Die Hansestadt solle sich aber zusammen mit anderen Bundesländern dafür einsetzen, dass keine US-Raketen in Deutschland positioniert werden.
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„Wichtig ist Diplomatie, Diplomatie, Diplomatie – ohne den Angriffskrieg Russlands zu verharmlosen oder eine Täter-Opfer-Umkehr“, betonte Taheri gegenüber der „taz“. Er habe schon als Kind gewusst: „Krieg ist Wahnsinn.“ Seine Familie kommt aus dem Iran, das in den 1980er–Jahren Krieg gegen den Irak führte.
Das forderte die neue Wählervereinigung in Hamburg
In weiteren Punkten fordert die Wählervereinigung unter anderem, den Hamburger Hafen nicht an MSC zu verkaufen, die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen, bessere Ausstattung für Kitas und Schulen sowie bindende Bürgerentscheide und Volksinitiativen. Im Gegensatz zu einer Partei ermögliche eine Wählervereinigung „ein breiteres Meinungsspektrum“, die Gruppierung sei „basisdemokratisch“.
Yildiz und Dolzer waren im Januar aus der Hamburger Links-Partei ausgetreten. Dann war im Gespräch, ob sie zusammen mit dem ebenfalls ausgetretenen Ex-Genossen Metin Kaya eine Bürgerschaftsgruppe bilden würden. Der trat allerdings dem BSW bei, von dem sich Yildiz und Dolzer wiederum distanzierten – vor allem in Bezug auf dessen härtere Migrationspolitik.
Wählervereinigung will in die Bürgerschaft einziehen
Das Ziel der Wählervereinigung: Bis zum 24. Dezember 1000 Unterschriften sammeln und dann bei der Bürgerschaftswahl am 2. März über fünf Prozent holen. Ob das klappt, dürfte vor allem davon abhängen, ob das BSW in Hamburg ebenfalls antritt. Dafür bräuchte die Wagenknecht-Partei überhaupt erst einmal einen Landesverband, doch ein Gründungstermin ist noch nicht in Sichtweite. Beauftragt wurde damit die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Hamburger Linken-Chefin Żaklin Nastić, doch die hält sich bedeckt.
Tatsächlich soll das BSW nur handverlesene Bewerber in die Partei aufnehmen. Mehrere hundert Hamburger stellten bereits einen Mitgliedsantrag, gerade einmal 27 davon wurden aufgenommen. Ein BSW-Mitglied berichtete von „Geheimcastings hinter verschlossenen Türen“. So solle Hamburg strikt auf Wagenknecht/Nastić-Linie bleiben. Auch das könnte ein Grund für die plötzliche Neugründung der Wählervereinigung sein. Taheri selbst hatte damals eins der ersten BSW-Treffen in Hamburg mit organisiert.