• Vertreter der Nebenkläger haben eine Verurteilung des 93-jährigen ehemaligen KZ-Wachmanns gefordert.
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Hamburger KZ-Prozess: Nebenkläger fordern keine hohe Strafe – aber Schuldspruch

Den hochbetagten Nebenkläger im Hamburger Stutthof-Prozess ist die Höhe der Strafe nicht wichtig. Sie wollen, dass das Gericht die Schuld des ehemaligen KZ-Wachmanns feststellt. Das Urteil soll ihre Glaubwürdigkeit als Zeugen des Massenmords bestätigen.

Die Vertreter der Nebenkläger im Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann im KZ Stutthof haben eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord gefordert. Sie verlangten am Freitag in ihren Plädoyers aber keine höhere Strafe, als die bereits vom Staatsanwalt beantragten drei Jahre Haft. Rechtsanwalt Markus Goldbach sagte, sein in Israel lebender Mandant wünsche keine Strafe für den 93-Jährigen.

Stutthof-Prozess in Hamburg: „Man sollte ihm vergeben“

„Man sollte ihm vergeben“, habe der zurzeit im Sterben liegende ehemalige Stutthof-Gefangene erklärt. Nebenklage-Vertreter Mehmet Daimagüler sagte, auch seine Mandanten wollten ausdrücklich nicht, dass der 93-Jährige ins Gefängnis komme. Der Anwalt sprach sich dafür aus, den ehemaligen Wachmann zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen.Der Angeklagte hatte zum Auftakt des Verfahrens im Oktober eingeräumt, dass er vom 9. August 1944 bis zum 26. April 1945 Wachmann in dem Konzentrationslager bei Danzig war.

Wachmann wegen Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen angeklagt

Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, ihn wegen Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen zu verurteilen. Weil der Angeklagte zur Tatzeit erst 17 bis 18 Jahre alt war, findet der Prozess vor einer Jugendstrafkammer statt. Die in den USA lebende Nebenklägerin Judith Meisel wünscht nach den Worten ihres Vertreters Cornelius Nestler, dass es mehr Aufklärung über die Judenvernichtung gibt.

Die Shoa habe nicht nur in Auschwitz, Sobibor und Majdanek stattgefunden, sondern auch in jedem anderen deutschen Konzentrationslager. Zudem müsse die Welt dafür sensibilisiert werden, wohin Rassismus führen könne. Das Gericht müsse feststellen, dass es falsch war, beim Massenmord an den Juden mitzumachen.

Goldbach: Aussagen der Überlebenden sehr wichtig 

Goldbach betonte, wie wichtig die Aussagen der Überlebenden seien. „Diese Schilderungen sind für mich ungemein wertvoll“, sagte er. Sein Kollege Ernst von Münchhausen berichtete von einer Nebenklägerin, die im KZ nur deshalb überleben wollte, um später Zeugnis ablegen zu können. Nestler zeichnete den langen Weg der Strafverfolgung von NS-Verbrechen in Deutschland nach.

Schon in den 1950er und 60er Jahren seien wichtige Urteile gesprochen worden. Doch nach dem Frankfurter Auschwitzprozess von 1963 bis 1968 sei die Strafverfolgung eingeschlafen. Zwischen 1972 und 84 seien mehr als 30 Verfahren eingestellt worden, sagte der Jura-Professor. 2011 habe der Prozess gegen John Demjanjuk vor dem Landgericht München II eine Wende gebracht. Dass die Tätigkeit als Wachmann in einem Konzentrationslager Beihilfe zum Massenmord war, sei nicht mehr bestreitbar. 

Hamburg: Nestler appellierte an Gericht, Mandatin zu glauben

Es komme aber weniger auf die Rechtslage an, sondern auf schnell und effektiv arbeitende Staatsanwaltschaften und Gerichte. Seien diese unwillig, akzeptierten sie vorschnell Gutachten zur Verhandlungsunfähigkeit eines Beschuldigten. Beispiele seien Entscheidungen der Landgerichte Ellwangen im Fall des SS-Manns Hans Lipschis (2014) und Neubrandenburg im Fall eines ehemaligen SS-Sanitäters (2017).

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Die Jugendkammer am Hamburger Landgericht habe dagegen nach einem ersten Gutachten, das den Angeklagten für verhandlungsunfähig erklärte, ein zweites eingeholt.
Nestler appellierte an die Strafkammer, dem Bericht seiner Mandantin Glauben zu schenken. Judith Meisel habe Ende 1944 zusammen mit ihrer Mutter in Stutthof vergast werden sollen.

Nackt in der Gaskammer: „Hau ab, raus hier!“

Als sie schon nackt in der Gaskammer stand, habe einer der SS-Männer ihr zugerufen: „Hau ab, raus hier!“. Sie sei zurück zu einer Baracke gelaufen und habe schließlich überlebt, während ihre damals 40 Jahre alte Mutter ermordet worden sei. Nach Nestlers Worten hat die Hamburger Strafkammer die Glaubwürdigkeit dieser Darstellung mit Skepsis betrachtet.

Im November hatte ein Zeuge und Nebenkläger aus den USA in dem Prozess ausgesagt, dessen Glaubwürdigkeit durch einen Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ in Frage gestellt wurde. Das Gericht schloss sich den Zweifeln an, der 76-Jährige zog seine Nebenklage zurück. Nestler hatte sich darüber erleichtert gezeigt. Man hätte nach zehn Minuten Internetrecherche feststellen können, dass die Darstellungen des Zeugen abwegig gewesen seien und keinen Sinn machten.

Am kommenden Montag soll der Verteidiger seinen Schlussvortrag halten und der Beschuldigte Gelegenheit zu einem letzten Wort bekommen. Das Urteil soll am Donnerstag verkündet werden. (dpa/mp)

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