„Fabrik“: Warum Udo das Wahrzeichen von Altona so liebt
Udo Lindenberg liebt die „Fabrik“ von Anfang an. „Ich glaube, es ist unheimlich wichtig, solche Alternativ-Dinger zu pflegen und weiter auszubauen, alternativ zu den Verblödungs-Discos“, nuschelt er in den 70ern in eine Fernsehkamera. Das Stadtteil-Kulturzentrum an der Barnerstraße ist das erste seiner Art in ganz Deutschland und so etwas wie eine Wundertüte. Nun ist es 50 Jahre alt geworden.
Kultur für alle. Diese Idee haben der Altonaer Maler Horst Dietrich und der Architekt Friedhelm Zeuner. „Ich möchte Leute in die ,Fabrik‘ bekommen, die bisher von Kunst und kulturellen Dingen nicht angesprochen worden sind“, sagt Horst Dietrich damals. Aber nicht nur Kultur, auch Stadtteilarbeit und politische Veranstaltungen schweben ihnen vor. Und auch um Rocker und Straßenkinder will man sich kümmern. So ein Konzept ist völlig neu.
Hamburg: „Fabrik“ wird 50 Jahre alt
Am 25. Juni 1971 öffnet die „Fabrik“ in einer leerstehenden Fabrik für Holzverarbeitungsmaschinen an der Ecke Barnerstraße/Bahrenfelder Straße – daher der Name. Tagsüber toben hier nun Kinder durch die Halle, abends die Erwachsenen.
Einer der ersten, der in der „Fabrik“ auftritt, war der Grieche Mikis Theodorakis. Von der griechischen Diktatur wurde er ins Gefängnis geworfen. Nachdem er entlassen und ins Exil gedrängt worden ist, spielt er ein Konzert in der „Fabrik“ – und die Bühne wird hamburgweit bekannt und zum angesagten Treffpunkt. Der Kabarettist Hans Scheibner singt: „In Hamburg Altona, Mensch das war ’ne Fabrik, so mancher ging als Spießer hin und kam als Mensch zurück.“
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Zwei Jahre nach der Eröffnung wird die „Fabrik“ von der Bundesregierung ausgezeichnet – für die beispielhafte Umsetzung des neuen Kulturverständnisses und deren Vermittlung. Im ganzen Land entstehen jetzt Kulturzentren nach dem Vorbild der „Fabrik“.
1977 brennt die „Fabrik“ in Hamburg ab
Im Februar 1977 kommt es zur Katastrophe: Die „Fabrik“ brennt bis auf die Grundmauern nieder. Warum? Das steht bis heute nicht fest. Der Gründer glaubt an Brandstiftung. Für den Wiederaufbau lässt die Stadt einiges an Geld springen, der berühmte Architekt Volkwin Marg konzipiert einen Nachbau des Originals. Einen feuerfesten Nachbau. 1979 wird die Wiederöffnung gefeiert. Aus der Zeit stammt auch der 15 Tonnen schwere Lastkran auf dem Dach, der bis heute so etwas wie das Wahrzeichen der „Fabrik“ ist.
Und wer hier in den 50 Jahren nicht alles aufgetreten ist! Die Hardrocker AC/DC stehen 1976 auf der Bühne, die irische Band U2 1981. An die Auftritte von Weltstar Miles Davis (1986/87) erinnern sich viele Besucher noch heute mit glänzenden Augen. Udo Lindenberg ist Dauergast. Unvergessene Auftritte haben auch Musiker wie Chet Baker, Gil Scott Heron und Nina Simone. Die „Toten Hosen“ treten hier in den 80ern auf, „Die Ärzte“ gleich mehrfach – einmal unter falschem Namen. Wer noch da war? Nina Hagen, Bill Wyman von den „Rolling Stones“, Herbie Hancock, „The Stranglers“, Meat Loaf, „UK Subs“, Alice Cooper, David Crosby und und und.
Gäste lieben die „Fabrik“ von Beginn an, weil sie den Künstlern hier ganz nahe kommen und ihnen auf der niedrigen Bühne genau auf die Finger gucken können. Durch die umlaufende Galerien auf zwei Etagen gibt es einen guten Blick auf das, was unten passiert.
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Nach wie vor ist die „Fabrik“ ist so etwas wie eine Wundertüte. Hier gibt es neben Konzerten auch Stadtteilarbeit, Programm für Kinder, Lesungen, Flohmärkte, Märkte, Theaterstücke. Corona-bedingt war in der alten Halle schon lange nicht mehr der alte Trubel, jetzt geht es aber langsam wieder los. Am 14. August etwa steht ein Konzert mit Inga Rumpf an. Sie war schon vor 50 Jahren dabei – bei der Eröffnung.