Falko Drossmann
  • Falko Droßmann ist Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneter und queerpolitischer Sprecher seiner Fraktion.
  • Foto: Marius Röer

Hamburger Queer-Politiker über Druck von rechts, Ampel-Politik und Bundeswehr-Zeit

Gefahren von rechts für queere Menschen, Kritik am Selbstbestimmungsgesetz, seine Bundeswehr-Zeit als schwuler Mann – Falko Droßmann ist Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneter und queerpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Die MOPO sprach mit ihm auch über Lautstärke-Unterschiede zu Gender-Gegner Christoph Ploß (CDU).

Herr Droßmann, Sie haben sich dafür eingesetzt, dass in Hamburg gerade eine Ausstellung zum Schicksal queerer Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus zu sehen ist. Warum ist der Blick zurück aktuell so wichtig?

Falko Droßmann: Die Ausstellung war im Bundestag zu sehen und als ich sie mir dort angeschaut habe, fand ich sie beeindruckend und sensibel gemacht. Der Rechtsruck ist heute zunehmend spürbar, im Bundestag sind mehr erschreckende Dinge sagbar. Und auch wenn sich Geschichte nie wiederholt: Das Schicksal queerer Menschen in der Nazi-Zeit mahnt uns, erkämpfte Freiheiten zu verteidigen. Deshalb brauchen wir auch den Blick zurück – zum Beispiel durch diese Ausstellung. Sie passt auch hervorragend zum Hamburger Pride-Motto.

Die Hamburger Pride-Week steht in diesem Jahr unter dem Motto: „5 vor 12 – Du und ich gegen den Rechtsruck“. Wie sehr ist es aktuell „5 vor 12“ mit Blick auf queere Themen?

Droßmann: Der Druck auf gesellschaftliche Minderheiten wird auch in Europa wieder größer und das ist gefährlich. Das sehe ich in Osteuropa, in Ungarn, Polen, Serbien. Aber auch wenn man bei uns politisch etwas zum Schutz von Minderheiten tut, dann bereitet es mir beispielsweise große Sorge, dass sich im Diskurs verstärkt bestimmte Sprechweisen durchsetzen: Es geht dann darum, Familien und Kinder zu schützen, so wird vordergründig argumentiert und das verfängt auch. Aber eigentlich will man Minderheiten zurückdrängen und die Stärkung ihrer Rechte verhindern. Selbst bürgerliche Parteien argumentieren so, in der Diskussion um das Selbstbestimmungsgesetz war das beispielsweise der Fall. Und sie machen damit Stimmung gegen Minderheiten, die wieder mehr Anfeindungen erleben – nicht nur im Netz, sondern auch auf der Straße. Das ist eine gefährliche Entwicklung.

Droßmann: „Es ist leicht, laut auf Minderheiten einzuschlagen“

Stichwort Selbstbestimmungsgesetz: Der Bundestag hat das Gesetz, das es trans Menschen erleichtern soll, ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt zu ändern, im April verabschiedet. Vorher gab lange politische und gesellschaftliche Debatten.

Droßmann: Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen das uralte Transsexuellengesetz aus den 1980ern für verfassungswidrig erklärt. Es war schlicht und ergreifend unsere Aufgabe, dieses Gesetz zu ändern – das ist im Zuge der populistisch geführten Debatte oft untergegangen. Stattdessen wurde ein Dreiklang aufgemacht: Ich darf mir meine Heizung nicht mehr aussuchen, ich darf mir mein Auto nicht mehr aussuchen, aber mein Geschlecht darf ich mir jetzt einmal im Jahr aussuchen. Da wurde das Abstellen von Grundrechtsverletzungen zu Lasten vulnerabler Gruppen auf ein besorgniserregendes Niveau runtergezogen.

Ein weiterer lauter Vorwurf lautet: Die Ampel-Regierung kümmert sich am liebsten um die Interessen von Minderheiten.

Droßmann: Dass dieser Eindruck entsteht, war natürlich auch Ziel der Desinformationskampagnen gegen das Selbstbestimmungsgesetz, obwohl das Gesetz natürlich nur ein kleiner Teil unserer politischen Arbeit ist. Es ist leicht, laut auf Minderheiten einzuschlagen – und so Themen hochzuziehen und Teile der Mehrheitsgesellschaft anzustacheln. Für Demokratinnen und Demokraten ist es schwer, himmelschreienden Vereinfachungen und Angstmache etwas entgegenzusetzen, das ist ein großes Problem und gleichzeitig für die AfD ein großer Vorteil in den sozialen Medien. Aber das ändert nichts an unserer Aufgabe, verfassungswidrige Gesetze zu ändern.

Die Ampel ist als „Fortschrittskoalition“ angetreten. Was haben Sie bislang noch getan für queere Menschen?

Droßmann: Wir haben beispielsweise das Völkerstrafrecht reformiert und darin festgelegt, dass Verbrechen gegen queere Menschen auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind. Dadurch bekommt die deutsche Justiz die Möglichkeit, entsprechende Täter zu verfolgen, auch wenn sie ihre Taten im Ausland begangen haben. Und wir haben das Transfusionsgesetz geändert und das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, abgeschafft – eine wichtige Sache, bei der ich fast ein bisschen erleichtert bin, dass sie nicht zu groß öffentlich gefeiert worden ist, weil ich da auch die Angst hatte, dass sie zerrissen wird.

Droßmann: Ploß (CDU) „schon lange nicht mehr satisfaktionsfähig“

Treten Sie Lautstärke-technisch lieber auf die Bremse, wenn es um queerpolitische Themen geht? Unter der Rubrik „Queerpolitik“ auf der Website Ihrer SPD-Bundestagsfraktion ist nicht allzu viel los…

Droßmann: Wir machen viel, aber nicht alles findet im ganz großen öffentlichen Raum statt. Ein Beispiel: Der AfD-nahe Bürgermeister von Pirna hat neulich einen klaren Bezug zwischen der Regenbogenflagge und der Hakenkreuzflagge der Nazis hergestellt. Vor einer Woche war dann CSD in Pirna, da war ich als queerpolitischer Sprecher der Fraktion natürlich vor Ort und habe auch eine Rede gehalten. Und im September veranstalten wir zum zweiten Mal eine Menschenrechtskonferenz, bei der es auch viel um queerpolitische Themen geht. Hinzu kommt natürlich der nationale Aktionsplan, in dem wir viele notwendige Aufgaben beschrieben haben. Aber Menschenrechtsthemen eigenen sich nicht immer zur politischen Vermarktung.

Die politische Konkurrenz ist bei Themen im queerpolitischen Umfeld gerne mal lauter – Ihr Hamburger Bundestagskollege Christoph Ploß (CDU) hat in der Vergangenheit immer wieder mit Lärm gegen das Gendern die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Droßmann: Herr Ploß ist mit seinen Aussagen für mich schon lange nicht mehr satisfaktionsfähig. Sich politisch zu darüber zu profilieren, immer nur gegen etwas zu sein und sich mit Populismus Applaus abzuholen, statt Vorschläge zu machen – das ist doch nichts.

Sie sind seit 2017 mit einem Mann verheiratet, leben offen schwul, das war vor allem in Ihrem früheren Berufsleben als Luftwaffen-Offizier nicht immer so. Prägt sie das noch?

Droßmann: Ich bin 1997 zur Bundeswehr gekommen. Wäre damals bekannt geworden, dass ich einen Freund habe statt einer Freundin – dann wäre ich wegen sogenannter Nichteignung entlassen worden. Da hätte ich der beste Offizier sein können, mit Auslandseinsätzen, Orden und allem – man hätte mich per se charakterlich für nicht geeignet erklärt. Das hat mich geprägt und das ist eine Zeit, in die möchte ich nicht zurück. Diese Erfahrung prägt meine Arbeit auch heute noch – neben den informellen Vorurteilen, die weiterhin gegenüber queeren Menschen überall existieren.

Was ist heute anders bei der Bundeswehr?

Droßmann: Zunächst: In jeder großen Gruppe passiert Unsinn – in jedem Unternehmen und auch bei der Bundeswehr. Es gibt immer Einzelne, die doof sind. Die Bundeswehr hat aber eine große Sensibilität für das Thema entwickelt. Queerfeindliches Verhalten wird da nicht mehr toleriert, sondern sanktioniert.

Wo sehen Sie sonst positive Entwicklungen für queere Menschen?

Droßmann: Das Klima in ganz großen Teilen der Gesellschaft ist besser geworden und glücklicherweise auch der Anspruch queerer Menschen, ihr Leben so zu leben, wie sie es wollen. Ich bin jetzt 50, ich bin im Bergischen Land in einer Kleinstadt aufgewachsen, damals war für mich als schwulem Mann klar, dass ich da nicht bleiben konnte. Ich hätte es nicht nur mir schwer gemacht, sondern auch meinen Freunden, meiner Familie – es war klar: Ich muss in die Großstadt. Heute erlebe ich auf vielen tollen Kleinstadt-CSDs, dass sich die jungen Menschen nicht mehr verdrängen lassen. Die sagen: Wenn du mit nicht mit mir klarkommst, dann geh‘ du doch. Das ist ein tolles Selbstbewusstsein – und wir müssen dafür sorgen, dass das so erhalten bleibt und das der Widerstand, der gegen dieses Selbstbewusstsein wächst, nicht größer wird.

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