• Vor 82 Jahren von Nazis in der Pogromnacht gestohlen: die Tora-Krone der Bornplatzsynagoge
  • Foto: Patrick Sun

Hamburger Synagoge: Von Nazis gestohlen: Silberne Tora-Krone kehrt heim

Über den Wiederaufbau der alten Bornplatz-Synagoge wird seit Monaten geredet. Nun will eine Initiative dafür sorgen, dass die Sache endlich Fahrt aufnimmt. Daniel Sheffer, der Gründer, hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis zum 27. Januar, dem Auschwitz-Gedenktag, will er 100.000 Bürger dazu bringen, auf der Homepage bornplatzsynagoge.de per Mausklick die Stimme zu erheben – gegen Antisemitismus und für den Wiederaufbau.

Am Montag startete die Kampagne mit einer beeindruckenden Zeremonie: Auf dem Joseph-Carlebach-Platz, dem ehemaligen Bornplatz, wo einst die Synagoge stand, stimmte Rabbi Shmuel Havlin die jüdische Totenklage „El Male Rachamim“ an, während die zehnjährige Eve, ein junges Mitglied der Jüdischen Gemeinde, mit einer Krone in den Händen auf ihn zuging und sie ihm überreichte.

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Die zehnjährige Eve, eine junge Angehörige der jüdischen Gemeinde, überbringt die Tora-Krone. Rabbiner Shmuel Havlin nimmt sie in Empfang.

Foto:

Patrick Sun/ Patrick Sun

Ein symbolischer Akt: Die alte silberne Tora-Krone – vor 82 Jahren von Nazis geraubt und jetzt bei einem Antiquitätenhändler wieder aufgetaucht (die MOPO berichtete bereits ausführlich) – ist wieder zu Hause. Allerdings: Das Haus – es ist nicht mehr da.

„Ich entschuldige mich für die Verbrechen an den Juden“

Ehrengast bei der Zeremonie: die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), die daran erinnerte, dass am 9. November 1938 SA- und SS-Schläger über jüdische Geschäfte herfielen, sie demolierten, jüdische Mitbürger jagten, quälten und inhaftierten und auch vor den Gotteshäusern nicht haltmachten:

Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne)

Die Zweite Bürgermeisterin Katharine Fegebank (Grüne) unterstützt den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge.

Foto:

Patrick Sun/ Patrick Sun

Zeitzeugen berichten, dass SS-Männer sogar auf die Tora-Rollen pinkelten, bevor sie die Silberschätze raubten. Für die Verbrechen, die während des Nationalsozialismus an Hamburgs Juden verübt wurden, schäme sie sich, so Fegebank. „Und ich entschuldige mich auch im Namen des Senats dafür.“

Daniel Sheffer, Gründer der Initiative Wiederaufbau Bornplatzsynagoge

Daniel Sheffer, Gründer der Initiative Wiederaufbau Bornplatzsynagoge. Er will bis zum 27. Januar 100.000 Unterstützer zusammentrommeln.

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Olaf Wunder

So wie der 9. November 1938 ein Tag der Schande gewesen sei, so sei der 9. November 2020 ein „Tag des Aufbruchs“, sagte die Zweite Bürgermeisterin. „Vom heutigen Tag geht ein Signal aus, das es so in ganz Deutschland noch nie gegeben hat: Der Grindel soll wieder Mittelpunkt jüdischen Lebens werden in unserer Stadt.“

Die Bornplatzsynagoge in Hamburg, erbaut 1906

Die Bornplatzsynagoge wurde 1906 eingeweiht und 1938 von Nazis geschändet und in Brand gesetzt. Ihre Ruine wurde 1939 abgerissen – auf Kosten der jüdischen Gemeinde.

Foto:

Staatsarchiv Hamburg

Juden sind ein selbstverständlicher Teil Hamburgs

Als 1938 die Nazis die Bornplatz-Synagoge ansteckten und im Jahr darauf die Ruine abtrugen, habe das eine Wunde gerissen, die bis heute nicht verheilt sei, so Fegebank. „Ich hoffe, dass sich viele Bürger mit ihrer Stimme klar gegen den Antisemitismus stellen und gleichzeitig die Kampagne für den Wiederaufbau eines neuen jüdischen Gemeindezentrums im Herzen der Stadt unterzeichnen.“

Das Innere der Bornplatzsynagoge

Das Innere der Bornplatzsynagoge: Platz für 1200 Menschen

Foto:

IGDJ

„Alle 24 Minuten eine rassistisch motivierte Straftat in Deutschland“

Daniel Sheffer betont, es gehe um mehr als nur um den Wiederaufbau irgendeines Gotteshauses. „Es geht um ein Symbol. Es geht darum zu zeigen, dass Juden ein selbstverständlicher Teil Hamburgs sind, und zwar sichtbar mitten in der Stadt.“

Sheffer beklagt die Zunahme an Antisemitismus im Land: „Alle 24 Minuten kommt es zu einer rassistisch motivierten Straftat“, sagt er. „Auf Schulhöfen ist Gewalt gegen Juden wieder normal. In Stadien wird ,Jude raus!‘ gebrüllt. Wir erleben obskure Verschwörungstheorien.“ Sheffer zieht daraus die Konsequenz: „Es wird Zeit, dass die Bürger dieser weltoffenen Stadt aufstehen und für ihre Grund- und Freiheitsrechte kämpfen. Stehen wir gemeinsam, vielstimmig und unüberhörbar zur Kampagne ‚Nein zu Antisemitismus – ja zur Bornplatz-Synagoge‘.“

Bürgerschaft stimmte schon im Februar einstimmig für den Wiederaufbau

Unter dem Eindruck des Anschlags von Halle 2019 hatte die Bürgerschaft im Februar einstimmig den Weg für den Wiederaufbau der Synagoge freigemacht. Nach einem Angriff auf einen jüdischen Studenten in Eimsbüttel hatte Bürgermeister Peter Tschentscher Anfang Oktober noch einmal bekräftigt, dass er den Wiederaufbau begrüßen würde. Konkret ist bisher nicht viel passiert. Weil auf einem Teil des ehemaligen Synagogen-Grundstücks seit dem Zweiten Weltkrieg ein denkmalgeschützter Hochbunker steht, muss erst eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden – bislang aber wurde damit nicht mal begonnen.

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