• Sonja Reitz möchte in ihren Häusern in Hamburg-Meiendorf ein Zusammenleben über mehrere Generationen und Nationen schaffen.
  • Foto: Patrick Sun

Hamburger Wohnprojekt : Bezirksamt stoppt Haus für mehrere Nationen und Generationen

Meiendorf –

In Hamburg leben über die Hälfte der Menschen in Singlehaushalten, der Wohnraum wird knapp und die Kosten übersteigen die Mittel. Um dem entgegen zu wirken, hat sich Sonja Reitz dazu entschlossen, aus eigener Tasche Häuser zu bauen und sie als ein Mehrnationen- und Mehrgenerationenhaus zu vermieten. Doch das Bezirksamt Wandsbek stellt sich quer: Durch den Neubau entstand eine dritte Wohneinheit, das sei im Stadtteil Meiendorf verboten!

Sonja Reitz ist Ärztin, alleinerziehende Mutter und musste sich in der Vergangenheit einigen schiefen Blicken und Vorurteilen stellen. Nach der Trennung von ihrem Mann verlegte Reitz ihre Praxis in die eigenen vier Wände: Das sparte Kosten und sie gewann mehr Zeit mit ihrem Sohn. Sonja Reitz ist eine Kämpfernatur, mit hohem sozialem Engagement setzt sie sich für die Menschen ein, deren Leben vielleicht gerade nicht ganz so gradlinig verläuft.

Hamburgerin verschuldet sich, um Menschen ein Zuhause zu geben

„Durch Zufall sind mir drei Grundstücke angetragen worden“, sagt Sonja Reitz. Das war der Start. Sie nahm Kredite auf, verschuldete sich und baute zwei neue Häuser. Entstehen sollte hier ein Wohnprojekt – verschiedene Generationen und Nationen als Wohngemeinschaft unter einem Dach: Jeder hilft jedem! „Ich wollte etwas sinnvolles mit den Grundstücken anfangen“, sagt Reitz. Vorwiegend ginge es ihr um Frauen, die wie sie alleinerziehend sind und eine Bleibe suchen.

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Der Antrag wurde genehmigt, der Bau ging los. Dann wurde Anfang 2018 in Hamburg eine Änderung der Bauordnung beschlossen: Die Möglichkeit des Ausbaus von Dachböden sollte erleichtert werden. Also ließ Frau Reitz auch die Spitzböden ausbauen. Die Nutzungsgenehmigung für die Spitzböden beantragte sie erst nach der Fertigstellung, denn durch die Lockerung der Hamburger Bauordnung sollte das eigentlich kein Problem sein.

Bezirksamt Wandsbek verbietet die Nutzung der Spitzböden

Leider doch! Der Bebauungsplan für Meiendorf (Bebauungsplan Rahlstedt 78/ Volksdorf 25) sieht vor, dass ein Haus nicht mehr als zwei Baueinheiten, also zwei Wohnungen beinhalten darf. Die ursprünglichen Bauanträge von Frau Reitz bezogen sich auf ein Doppel- beziehungsweise ein Einzelhaus. Das Bezirksamt Wandsbek hat die Nutzung der komplett ausgebauten und bezugsfertigen Spitzböden jetzt untersagt, da hier eine dritte, nicht zulässige Baueinheit entstanden sei.

Das Bezirksamt erklärt dies wie folgt: „Nach dem Baugesetzbuch ist es möglich, in bestimmten Gebieten aus städtebaulichen Gründen die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden festzulegen, das heißt auch zu beschränken“, sagte eine Sprecherin des Bezirks. „Dies kann zum Beispiel aus Gründen der Wahrung einer bestimmten Stadt- und Siedlungsstruktur erfolgen.“

Hamburg: Leerstand in in der Einzelhaus-Siedlung in Meiendorf

„Nur zwei Grundstücke weiter gibt es im Offenbachweg und in der Von-Suppé-Straße jeweils eine viel größere Bebauung des Grundstückes“, hält  Sonja Reitz dem entgegen.

Die Spitzböden stehen jetzt leer. Das Bezirksamt sagt, durch diese Maßnahmen komme es nicht zu Leerständen von genehmigtem Wohnraum, lediglich die Ausnutzung der Gebäude werde so gesteuert. Den Leerstand gibt es aber trotzdem, ob genehmigter Wohnraum oder nicht. Die Spitzböden sind einzugsbereit, wohnen darf dort aber keiner.

Der Spitzboden dieses Neubaus steht leer.

Der Spitzboden dieses Neubaus in Hamburg Meiendorf steht leer und darf auf Grund einer Nutzungsunterlassung durch das Bezirksamt Wandsbek nicht bewohnt werden.

Foto:

Patrick Sun/ Patrick Sun

Frau Reitz klagte und legte Wiederspruch ein. Ergebnisse gibt es bis jetzt noch nicht. Bis auf die Spitzböden sind die Häuser aber mittlerweile bewohnt. Das Wohnprojekt funktioniert: In den Häusern leben verschiedene Nationen und Generationen zusammen unter einem Dach. Alleinerziehende Mütter, Neuankömmlinge in Hamburg, Paare. Die Menschen kommen aus Deutschland, Rumänien, Brasilien, Amerika, Togo, Italien, China – alle freuen sich, in Hamburg Anschluss gefunden zu haben.

Hamburg: Wohnraum-Verdichtung ja, aber nicht in Meiendorf

In Meiendorf soll nach Auffassung von Frau Reitz das friedliche Leben in Einfamilien- oder Doppelhäusern gewahrt werden – ihr Projekt sei aber offenbar nicht gerne gesehen. Die Verdichtungsmaßnahmen aus den Innenstadtbereichen, in denen sogar Hinterhöfe bebaut werden sollen, greifen hier nicht: In Meiendorf scheint selbst ein Spitzboden zu viel des Guten.

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