Ein Vollzugsbeamter geht in der JVA Billwerder in Hamburg einen Gang entlang.
  • Ein Vollzugsbeamter in der JVA Billwerder: Hier war die Belegung im September mit 643 Männern größer als die Kapazität von 638.
  • Foto: picture alliance / Ulrich Perrey/dpa | Ulrich Perrey

Hamburgs Gefängnisse sind überfüllt – wohin mit den Kriminellen?

Hamburgs Gefängnisse platzen aus allen Nähten: Steigende Belegungszahlen und fehlendes Personal bringen die Haftanstalten an ihre Grenzen. Aktuelle Zahlen zeigen, wie schwierig die Lage derzeit ist.

Ende September saßen laut Angaben des Senats 2113 Menschen in Hamburg in Haft, bei 2206 verfügbaren Plätzen. Das sind mehr Häftlinge als in den Vormonaten: Am Stichtag am 31. August waren es noch 2081 Gefangene, Ende Juli noch 2087. Das geht aus einer aktuellen Kleinen Anfrage des CDU-Abgeordneten Richard Seelmaecker hervor. Das „Abendblatt“ berichtete zuerst.

Belegungszahlen sind gestiegen

Wie schon vor rund einem Jahr ist die Lage in der Untersuchungshaft am schwierigsten: 526 Plätze sind hier belegt – von 462 verfügbaren Plätzen. Auch in der JVA Billwerder, Hamburgs größtem Gefängnis, wurde die Kapazitätsgrenze überschritten: 643 inhaftierte Männer kommen hier auf 638 verfügbare Plätze. Die JVA Fuhlsbüttel, das „Santa Fu“, kommt mit 366 belegten von 386 verfügbaren Plätzen ebenfalls an ihre Grenzen. In dem offenen Männervollzug in der JVA Glasmoor sind 228 von 231 Plätzen belegt und in der Sozialtherapeutischen Anstalt 167 von 171 Plätzen.


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„Die Belegungszahlen im Justizvollzug unterliegen seit jeher Schwankungen“, schreibt der Senat in seiner Antwort. Die Haftplatzkapazitäten seien daher so kalkuliert, „dass grundsätzlich auch Belegungsspitzen abgebildet werden können.“

Einschränkung der „Binnendifferenzierung“

Um mehr Platz in den Gefängnissen zu schaffen, können verfügbare „Steuerungsinstrumente“ nach Bedarf eingesetzt werden, so der Senat. Damit kann beispielsweise der Vollstreckungsplan geändert werden. Sogar Vollstreckungsaufschübe und -unterbrechungen können herbeigeführt werden. Letzteres passiert aber nur verhältnismäßig selten und nur in dringenden Fällen, wie ein Sprecher der Justizbehörde dem „Abendblatt“ sagt.

Ein weiteres Mittel, um mehr Kapazitäten in den Gefängnissen zu schaffen, ist eine Einschränkung der sogenannten „Binnendifferenzierung“. In Hamburg wird grundsätzlich unterschieden, ob sich Gefangene noch im Aufnahmeverfahren oder bereits im Regelvollzug befinden. Auch wird für jeden Häftling geprüft, ob besondere Beobachtungs- oder Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind. Wie die Trennung der Gefangenen gestaltet wird, ist dabei etwa abhängig von der Größe und Zusammensetzung der Gefangenengruppe – aber auch von der aktuellen Belegungssituation.

Im „Santa Fu“ kommen „neue“ Gefangene durch die hohe Auslastung derzeit etwa auch auf der Station für die getrennte Unterbringung unter. Diese ist eigentlich für Gefangene vorgesehen, die besonders viel Betreuung brauchen. Und auch in der Untersuchungshaft musste die Binnendifferenzierung eingeschränkt werden. „Die Einhaltung der Trennungsgebote und die Erfüllung der vollzugsgesetzlichen Aufträge sind flächendeckend gewährleistet“, betont der Senat.

Hohe Fehlzeitquoten, nicht genug Nachwuchskräfte

Ein weiteres Problem in Hamburgs Gefängnissen ist das fehlende Personal. Im August fielen im Schnitt 12,9 Prozent der Beschäftigten aller Anstalten wegen Krankheit aus. In der JVA Glasmoor lag die Fehlzeitquote im August sogar bei 14 Prozent. 69 Beschäftigte der Haftanstalten fehlten im September wegen Langzeiterkrankungen mit einer durchgehenden Fehlzeit von mehr als 75 Tagen.

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Gleichzeitig kommen nicht genug Nachwuchskräfte nach: In diesem Jahr starteten bislang zwei Ausbildungslehrgänge mit 28 Nachwuchskräften. Sechs Auszubildende haben ihre Ausbildung aber auch bereits wieder abgebrochen. Im Dezember soll ein weiterer Lehrgang starten. 2025 sollen wieder drei Lehrgänge mit jeweils rund 20 Teilnehmern an den Start gehen. (mwi)

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