Hamburgs Schulsenator kneift vor der AfD: Durften die Rechten in Klassenbücher gucken?

Eimsbüttel –

Die AfD drangsaliert Hamburgs Schulen weiter und überzieht sie mit Vorwürfen, nichts gegen „Fridays for Future“-Werbung zu tun. Am Kaifu-Gymnasium soll die Partei jetzt Einblick in die Klassenbücher gefordert haben. Das Ziel: Kontrollieren, ob schwänzende Schüler auch wirklich vermerkt und sanktioniert wurden. Trotz mehrfacher Anfragen der MOPO schweigt der Schulsenator seit Wochen zu dem Vorfall verbissen. Warum kneift Ties Rabe (SPD) vor den Rechten?

Anfragen zu politischen Stickern und Plakaten an den Senat gibt es von der AfD in großer Zahl. Die letzte bezieht sich auf „Fridays for Future“-Banner an der Stadtteilschule Stellingen. Immer versehen mit Fotos aus den Schulen. Unter besonderem „Spionage-Druck“ steht dabei das Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer in Eimsbüttel.

Schon Anfang November sorgte eine 26-seitige AfD-Senatsanfrage zum Kaifu für Aufregung. Darin wollten die Rechten dezidiert aufgelistet haben, wie mit Schülern umgegangen wird, die für FFF-Demos geschwänzt haben. Belegt wurde das von der AfD mit etlichen Fotos aus Schulfluren, die offenbar außerhalb der Unterrichtszeit von Unbekannten gemacht wurden.

Elternrat des Kaifu-Gymnasiums in Hamburg empört

Der Elternrat protestierte gegen die Schnüffelei: „Das Aufsuchen der Schule durch solch unbeteiligte Dritte und die Foto-Dokumentation sind geeignet, die Schüler erheblich einzuschüchtern.“

Die Anfrage ergab, dass 133 Schüler für eine Freitags-Demo geschwänzt hatten. Laut Schule wurden ihre Eltern kontaktiert. Aufgrund wiederholten Fehlens wurden 58 normenverdeutlichende Gespräche mit Schülern geführt.

Haben diese ausführlichen Informationen der AfD nicht ausgereicht? In der Schule halten sich hartnäckige Gerüchte, dass die Partei einen Einblick in die Klassenbücher gefordert habe, um sich davon zu überzeugen, dass Schwänzen tatsächlich notiert wurde und es für die fraglichen Schüler auch tatsächlich Konsequenzen gab.

Im Video: Antisemitismus in Hamburg nimmt zu 

Da die Schule ohne Genehmigung der Schulbehörde nicht mit der MOPO sprechen durfte und die Behörde eine solches Okay offenbar nicht geben wollte, hätte nur die Schulbehörde die skandalösen Einschüchterungs-Vorwürfe aufklären können.

Schulsenator Ties Rabe kneift vor der AfD

Doch der Schulsenator kniff gegenüber der MOPO. Obwohl wir seit Wochen immer wieder nachhakten, gab es zwar seitens des Pressesprechers Peter Albrecht das Versprechen sich um die Anfrage zu kümmern, aber eine Antwort kam trotz mehrfacher Nachfragen nicht. Will die Behörde damit etwas verbergen? Oder weiß sie einfach nicht, wie sie mit dem Druck umgehen soll, den die AfD auf die Schulen ausübt?

Kritik am Schulsenator kommt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: „Ties Rabe duckt sich weg, wenn es um eine öffentliche Positionierung zur AfD und ihren Schul-Aktivitäten geht“, sagt Fredrik Dehnerdt, Vize-Vorsitzender der Gewerkschaft. Das gehe den Lehrkräften an Hamburgs Schulen schon lange gegen den Strich. „Sie erwarten, dass sich ihr oberster Dienstherr viel engagierter vor sie stellt.“

Petzportale: Lehrer fordern Rückendeckung von Rabe

Rabes Amtskollegen in Niedersachsen und Bremen hätten das im Gegensatz zu ihm deutlich getan. Formal unterstütze die Behörde die Lehrkräfte aber durchaus. Sie habe bisher etwa alle Dienstaufsichtsbeschwerden der AfD gegen Lehrkräfte zurückgewiesen. Etwa gegen den Leiter der Stadtteilschule Blankenese oder den Oberstufenkoordinator der Ida-Ehre Stadtteilschule. Und auch Vorwürfe in Anfragen würden immer ausgeräumt. Dehnerdt: „Aber das ist eben kein öffentliches Signal.“

Die GEW betont, dass Parteien natürlich nicht in Klassenbücher gucken dürfen. „Die Partei hat einfach nicht verstanden, was der Schutzraum Schule bedeutet“, so Fredrik Dehnerdt, Vize-Vorsitzender der GEW. Bei ihm füllen die Vorgänge zu den Anfragen der AfD schon mehrere Ordner.

Ties Rabes Debakel um Sticker an der Ida-Ehre-Schule

Ein Grund dafür, dass Rabe in der Sache kneift, könnte am Debakel um die Ida-Ehre Schule liegen: Dort ließ er nach AfD-Kritik Aufkleber der vom Verfassungsschutz beobachteten linksextremen Gruppe „Antifa Altona Ost“ kurzerhand entfernen – ohne zuvor mit der Schulleitung Rücksprache gehalten zu haben.

Laut Schule waren sie aber bei einem Oberstufenprojekt auf die Pinnwand eines Klassenraums gelangt. Daher völlig legal. Der Aufschrei der Schulgemeinschaft war groß, ebenso bei der Opposition, die Rabe vorwarf, „über das Stöckchen der AfD gesprungen“ zu sein. Auch aus der eigenen Partei gab es Kritik.

Nachtrag: Die AfD reagierte erst nach Erscheinen des MOPO-Artikels. Sie dementiert den Vorstoß. Sprecher Robert Offermann: „Die AfD-Fraktion hat zu keinem Zeitpunkt die Forderung aufgestellt, einen Einblick in Klassenbücher zu erhalten.“