Norbert Aust

Norbert Aust ist seit 2020 Präses der Handelskammer – und wurde im April für weitere vier Jahre gewählt. Foto: Bertold Fabricius

Handelskammer-Chef: „Wir verhalten uns wie die Hobbits im Auenland“

Norbert Aust (81) war unter anderem Hochschulpräsident, Gründer und Chef des Schmidt-Theaters, Chef des Tourismusverbands und ist seit 2020 Präses der Handelskammer. In der MOPO erklärt der sechsfache Vater, warum er keine Angst vor Trump hat – sich aber große Sorgen um den Wirtschaftsstandort Hamburg macht.

MOPO: Herr Aust, Sie haben den Senat gerade kräftig kritisiert. Regiert Rot-Grün die Stadt so schlecht?

Norbert Aust: Ich bewerte die bisherige Arbeit des Senats nicht. Als Unternehmer liegt mein Fokus auf der Zukunft. Die Vergangenheit interessiert mich nicht so sehr, viel eher, wie wir unsere Stadt attraktiv und lebenswert halten können. Und da kann einiges besser werden.

Ist die Lage denn so schlecht?

Deutschland fällt im internationalen Vergleich zurück. Und für Hamburg reicht es nicht, sich mit München oder Berlin zu vergleichen. Als Außenhandelsstandort sind wir vom internationalen Handel abhängig. Wenn wir international nicht konkurrenzfähig bleiben, ist das ein ernstes Problem.

Aber Hamburg hat sich laut EU-Statistiken in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit verbessert.

Ja, aber damit dürfen wir uns nicht zufriedengeben und sagen: Hey, wir spielen Bundesliga, alles gut. Wir müssen in die Champions League.

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Der Bundeskanzler hat noch bis in den Sommer auf Hilferufe der Industrie gesagt, dass „das Klagen das Kaufmannslied ist“, was denken Sie darüber?

Damit kann man die Situation nicht abtun. Wir müssen stattdessen Lösungen finden. Deutschland schrumpft, der Rest wächst. Die Machtzentren verlagern sich in andere Länder, viele Firmen bauen neues Geschäft lieber im Ausland.

Was nervt Sie und Ihre Mitglieder am meisten?

Selbstzufriedenheit. Wir verhalten uns wie die Hobbits im Auenland. Wir sitzen vor unserer Hütte und denken, alles ist in Ordnung, während sich rund um uns Mordor immer weiter ausbreitet. Die globalen Wirtschaftsverhältnisse haben sich verändert, unser altes Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr.

Was könnte das neue Geschäftsmodell sein?

Wir müssen offensiv sein, neue Partnerschaften eingehen und Handelsabkommen schließen. Es gibt viele Möglichkeiten, in Südamerika, in Asien, in Afrika. Man kann aber nicht nur mit Freunden Handel treiben.

Direkter Draht: Aust (r.) bei einem Empfang im Schmidt-Theater mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) picture alliance/dpa/Christian Charisius
Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, gratuliert Norbert Aust
Direkter Draht: Aust (r.) bei einem Empfang im Schmidt-Theater mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD)

Wie wichtig ist für Sie das geplante Mercosur-Abkommen in Südamerika?

Sehr wichtig. Freihandelsabkommen sind entscheidend für den Handel und unsere Zukunft. Eine Chance haben wir dabei nur als geeintes Europa, auch wenn Brüssel immer mehr zu einer Regulierungsmaschine wird.

Ist die Bürokratie wirklich das größte Problem, mit dem wir konfrontiert sind?

Absolut. Es gibt immer mehr Gesetze und Verordnungen, die die Arbeit erschweren. Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren führen zu Ärger auf allen Seiten, manchmal auch in den Behörden.

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Brauchen wir hier etwa auch eine Kettensäge wie in Argentinien?

Wir brauchen ein Umdenken. Statt einer Verbotskultur brauchen wir eine Ermöglichungskultur.

Hamburgs Verwaltung rühmt sich ja als digitaler Vorreiter. Zur Recht?

Es ist schon viel passiert, aber noch nicht genug. Einfaches Beispiel: Eine Genehmigung für Außengastronomie müssen Sie jedes Jahr neu beantragen, jedes Jahr. Warum? Das macht auf allen Seiten nur unnötige Arbeit. Der politische Wille ist zwar für Veränderung da, das Mindset in den Behörden oft nicht.

Trotzdem meint man manchmal, in Hamburg auf einer Insel der Glückseligen zu leben. Es wird viel investiert, das meiste funktioniert ganz ordentlich, gerade im Vergleich z. B. zu Berlin.

Aber leider investieren immer mehr Unternehmen lieber im Ausland. Lufthansa Technik baut eine neue Anlage nicht hier, sondern in Portugal. Aurubis hat ein neues Werk in den USA gebaut. Wir behalten den alten Standard, aber das Neue entsteht woanders. Das muss sich ändern.

Warum ist das so?

Nun, in den USA kostet Energie z. B. deutlich weniger.

Die Energiepreise werden hier absehbar hoch bleiben, trotz aller politischer Rhetorik. Hat Hamburg überhaupt noch eine Chance als Industriestandort?

Ja, wenn alle anderen Bedingungen hier besser sind. Fachkräfte, schlanke Verwaltung, geringere Bürokratie, dann kann ein Unternehmen auch mit höheren Energiepreisen leben. Aber eben nur dann. Und wir brauchen eine bessere Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft. Deshalb fordern wir eine Zukunftsstiftung, die es Unternehmen und Unis ermöglicht, gemeinsam Produkte marktreif zu machen.

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Wo soll das Geld herkommen?

Das ist grundsätzlich Aufgabe des Staates, beispielsweise aus den privatwirtschaftlichen Gewinnen der städtischen Beteiligungen.

Wir steuern auf mehrere Handelskonflikte zu. Haben Sie Angst vor Donald Trump?

Nein, Angst ist keine Tugend eines Kaufmanns. Wir werden uns allerdings von unserem netten Auenland verabschieden müssen. Aber Hamburg hat eine lange Tradition im Handel und eine bemerkenswert starke Resilienz. Wir müssen innovativ und anpassungsfähig bleiben, egal wie herausfordernd die Situation ist. Das ist der richtige Weg, wie wir die Herausforderungen meistern können.

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