Helmut Schmidt und die Nazis: „Er war kein Lügner, aber ein Schönfärber“
Dass Helmut Schmidt als Jugendlicher in der Hitlerjugend und Anhänger der Nazis war, ist bekannt. Er selbst erzählte später oft, dass er im Alter von 17 Jahren mit dem Nationalsozialismus brach, weil die Werke Emil Noldes als entartete Kunst eingestuft wurden. Doch neue Forschungen kommen zu dem Ergebnis, dass das „Schönfärberei“ ist. Schmidt hat sich offenbar erst deutlich später distanziert. Und dann auch nicht wegen Nolde.
Helmut und Loki Schmidt waren das hanseatische Bildungsbürger-Paar par Excellance. Echte Schöngeister. Grafiken, Gemälde und Skulpturen schmücken Räume und Wände ihres Hauses in Langenhorn, das heute ein Museum ist. Auch Werke des Expressionisten Emil Nolde sind darunter, etwa das Bild „Bei der Schleuse“.
Helmut Schmidt selbst erzählte immer wieder über den Moment, in dem er sich vom Nationalsozialismus abgewandt hatte. Auslöser war demnach, dass die Nazis den von ihm verehrten Expressionisten Nolde in die Ausstellung „Entartete Kunst“ einreihten. In einem Brief an Siegfried Lenz schrieb Schmidt Ende der 60er, dass das „bei mir als damals 17-Jährigem den Bruch mit dem Nationalsozialismus auslöste“.
Helmut Schmidt: War Nolde wichtig für Abkehr von Nazis?
Der Historiker Bernhard Fulda kommt in einer Analyse laut „Spiegel“ zu einem ganz anderen Ergebnis. Und zwar anhand von Schmidts autobiografischen Notizen, die er im Sommer 1945 als damals 26-Jähriger verfasste. Darin habe Schmidt eine „klare Kontraststellung zu NS“ erst für die Zeit nach Kriegsausbruch (1939) notiert. Und auch dann habe es laut Fulda immer noch „Annäherung an einzelne NS-Ideen“ gegeben. Das würden ebenso Briefe belegen, die Bekannte Schmidt geschrieben hatten.
So kommt der Wissenschaftler laut „Spiegel“ zu dem Ergebnis, dass Schmidt die Art der Abkehr von NS-Ideologien später „geschönt“ habe und der historische Nolde-Moment eigentlich nur eine „konstruierte Selbstaussage“ sei, die der Altkanzler mantrahaft wiederholt habe. So sei es wohl nicht richtig, dass Schmidt seine Verführbarkeit bereits in den Dreißigerjahren überwunden habe.
Es könnte sogar so sein, dass die ganze Stilisierung Schmidts als Kunstliebhaber und Schöngeist gezielte Selbstinszenierung war, um sein Image aufzupolieren. Laut „Spiegel“ hat Fulda in den Archiven des Planungsstabs im Kanzleramt ein Papier gefunden, in dem die Strategen Schmidt 1975 vorschlugen, er möge sich doch geschichts- und kulturinteressierter geben, um sein Macher-Image abzubauen.
Die neuen Bewertungen Fuldas finden sich in dem Buch „Kanzlers Kunst“, das im Dölling und Galitz-Verlag erschienen ist. Herausgeber ist die private „Helmut und Loki Schmidt-Stiftung“.
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Doch was bedeutet das für die Bewertung Schmidts im Nachhinein? Muss das Bild des Altkanzlers revidiert werden? Bernhard Fulda kommt zu folgendem Fazit: „Er ist ein Schönfärber. Aber kein Lügner und Betrüger, wie es andere waren.“