Hippies, Partys und Pannen: Hamburgerin drehte den Ibiza-Film gegen Winter-Blues
In manchen Szenen möchte man mittelpanisch „Halt!“ rufen. Das ist doch verboten, was die da machen! Im Film „Eivissa“ tanzen zwei schöne Frauen am ibizenkischen Strand ohne Abstandsregel mit unbeschwerten und leicht bekleideten Menschen aus diversen Haushalten. Maskenlos, enthemmt und ganz nah dran. Und: Es wird geknutscht! Tanzen, Küssen, Ibiza-Urlaub: Der Film ist ein verträumtes Hippie-Märchen jenseits des Mainstreams. Und eine unbeschwerte Liebeserklärung an das Leben – ohne Pandemie.
„Dass die Bilder mal diese Wirkung haben würden, hätte ich auch nicht geahnt“, sagt Filmemacherin Tini Lazar. „Genauso wenig wie die Tatsache, dass es keine deutsche Kinopremiere geben wird, weil so was zurzeit einfach komplett unmöglich ist.“ Sie könnte heulen – tut sie aber nicht. Sie strahlt lieber. Denn die Hamburgerin ist Widerstände, Hindernisse, Probleme und mittlere Katastrophen gewöhnt.
Für Tini Lazar ist der Satz „An das Gute glauben, es in allem irgendwo erkennen und dankbar dafür sein“ keine Floskel, sondern Lebensmotto. Wenn sie den Glauben ans Happy End nicht gegen alle realen Widrigkeiten verteidigt hätte, würde es den Film gar nicht geben.
Tini Lazar wurde von Kult-Regisseur Klaus Lemke entdeckt
Die 37-Jährige ist Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin, sie ist Casterin und Kamerafrau, Catererin und Produzentin. Man könnte also sagen, „Eivissa“ ist ihr Film. Und Ibiza ist ihre Insel, mit ihrer Freundin und Hauptdarstellerin hat sie drei Monate während des Drehs dort gelebt. Die Handlung ist stellenweise charmant improvisiert – und erinnert manchmal an die Filme von Kult-Regisseur Klaus Lemke, dem Underground-Kinohelden, der 1972 mit „Rocker“ DEN Hamburg-Film gedreht hat.
Lemke hat Lazar vor elf Jahren „entdeckt“. So würde er es formulieren, der alte Chauvi. In Wahrheit wäre sie auch ohne ihre Lemke-Hauptrollen in „Drei Kreuze für einen Bestseller“ (2011) und „Kein großes Ding“ (2013) zum Film gekommen. Weil sie das Kino liebt, egal, was geht. Oder was eben gerade nicht geht.
Der Dreh von „Eivissa“ war voller Hindernisse
Nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera. Apropos: Die Kamera wurde kurz vor Drehbeginn auf Ibiza geklaut. Nur eine von vielen Katastrophen, die sie in den drei Monaten auf Ibiza überstanden hat. „Unser Auto wurde aufgebrochen, unser Equipment geklaut“, erzählt sie. Dass sie sich zwischendurch fühlte wie sieben Tage Regenwetter – das lag daran, dass es auf der Insel tatsächlich dauerregnete. „Und das nicht nur draußen, sondern auch in unsere Unterkunft!” Von wegen Sunshine Reggae auf Ibiza! Hätte es ein Filmteam gegeben, wäre die Verzögerung ein Problem gewesen: „Aber das Team bestand aus mir und meiner Freundin und Co-Darstellerin Lenka Arnold.“
Einer der männlichen Darsteller zum Beispiel kam eines Tages einfach nicht zum Dreh“, erzählt Tini. Der hatte wohl was anderes vor. Ibiza ist halt irgendwie immer noch eine Insel voller Hippies.
„Eivissa“: Happy End mit großer Liebe
Aber statt vor Frust durchzudrehen, drehte sie dann halt selbst, ohne den Darsteller und mit einer geliehenen Kamera: „Ich wollte das unbedingt durchziehen.“ Tini Lazar glaubte – genau, an das Gute!Und es kam nicht nur gut, es kam noch viel besser: „Während der Produktion habe ich Leo kennengelernt!“ Große Liebe – aber Lazar dachte natürlich auch gleich an ihren Film. Und ließ ihren neuen Lover die Musik dazu komponieren. Leo Lazar ist nämlich Musiker, spielt zum Beispiel in der Band der Hamburger Sängerin San Glaser und beim Joel Havea Trio.
Und er spielt die Hauptrolle in Tinis Leben. Für immer: Die beiden sind mittlerweile verheiratet und haben zwei Kinder. Eine Tochter und einen Sohn, der genau zu dem Zeitpunkt geboren wurde, als eigentlich die Kinopremiere von „Eivissa“ geplant war. Aber es kommt ja eh immer anders – und am Ende besser, so viel ist klar.
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Tini Lazars Film läuft jetzt als Stream bei Vimeo. Und was macht eine zweifache Mutter und Künstlerin im Lockdown? Drehen! Gerade stand sie für den Kurzfilm „Das Kulturgespräch im Radio“ des Regisseurs und Galeristen „Errkaa“ vor der Kamera, an der Seite von Lilo Wanders alias Ernie Reinhardt. Ein künstlerisch ungewöhnliches Projekt, ein „Film über Gegenwartskunst und gleichzeitig ein Roadmovie“, wie der Regisseur erzählt.
Den hat Tini Lazar übrigens auf einem Filmfestival in London kennengelernt. „Wir haben tatsächlich beide einen Preis gewonnen und merkten beim Dinner, dass wir beide aus Hamburg sind. Und dass wir uns mögen!“ Die Idee des 28-minütigen Films: Ein einsamer Trucker, gespielt von Anton Pleva, nimmt eine Anhalterin mit, gespielt von Tini Lazar, die beiden landen an einer Raststätte und treffen auf Lilo Wanders.
Das Ungewöhnliche: Es gibt keine Dialoge, die Tonspur ist ein parallel laufendes Künstler-Interview, das aus dem Autoradio kommt. Die Darsteller spielen also stumm. Am Set an der Tankstelle am Billhorner Röhrendamm war es in den Drehpausen allerdings nicht still – da wurde von Tini Lazar der kleine Sohn gestillt! Vor der Kamera cool-geheimnisvolle Femme fatale, hinter der Kamera kinderwagenschaukelnde, babyfütternde Mama. Tini Lazar macht das alles mit einem Lächeln. „Das ist ja genau das Leben, das ich mir immer gewünscht habe.“