Die Revolution, die ein Irrtum war: Straßensperren und tote Polizisten in Hamburg
Pünktlich um 5 Uhr am Morgen des 23. Oktober 1923 beginnt in Hamburg der Aufstand. Kommunistische Hundertschaften sperren Straßen und Brücken. Polizeireviere werden überfallen, Beamte eiskalt niedergeschossen, Waffen erbeutet. Vor 100 Jahren sind die Genossen überzeugt, die Zeit sei reif, die Macht zu übernehmen – im Rathaus und im Rest des Landes. Ziel ist es, das Deutsche Reich nach Moskauer Vorbild in eine Sowjetrepublik zu verwandeln. Was die Revolutionäre nicht wissen, als sie losschlagen: Die Revolution ist längst abgesagt!
Der Kommunistenaufstand: In seiner Frühjahrsausgabe hatte das MOPO-Geschichtsmagazin „Unser Hamburg“ bereits ausführlich an dieses Ereignis erinnert. Nun legen die beiden angesehenen Hamburger Historiker Olaf Matthes und Ortwin Pelc nach: „Die bedrohte Stadtrepublik – Hamburg 1923“ ist der Titel ihres Buches, das sie am Montag in den Räumen des Museums für Hamburgische Geschichte vorstellten. Ein ausgesprochen gut gemachter Band, der die Ereignisse bis ins Detail analysiert. Eine wichtige Arbeit noch dazu: Das Buch verdeutlicht, wie schnell es passieren kann, dass eine Demokratie den Bach runtergeht – damit ist es also ziemlich aktuell.
Historiker präsentieren Buch über den Kommunistenaufstand 1923
1923, das Krisenjahr. Alles beginnt mit der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen. Anlass dafür sind ausbleibende Reparationszahlungen, die Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg zu leisten hat. Auf die Ruhrbesetzung antwortet die Reichsregierung mit einem Aufruf zum passiven Widerstand, zu Sabotage und Streik. Den Streikenden zahlt sie die Löhne weiter – mit Geld aus der Druckerpresse, was eine Hyperinflation zur Folge hat.
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Für ein Brot, das im September 1923 noch 118.000 Mark gekostet hat, sind im Oktober 1923 schon 800 Millionen Mark zu zahlen. Die schlimmste Geldentwertung in der deutschen Geschichte. Streiks, Plünderungen und Hungerunruhen erschüttern das Reich – und die Feinde der jungen Demokratie glauben, ihre Zeit sei gekommen.
Mit der Besetzung des Ruhrgebiet begann 1923 das Drama
Das Drehbuch für die kommunistische Revolution in Deutschland haben übrigens Trotzki, Stalin & Co. in Moskau geschrieben. Von dort kommt auch das Geld für den Umsturz. Eigentlich sollen im Oktober 1923 nicht nur in Hamburg, sondern im ganzen Reich kommunistische Hundertschaften losschlagen. Dann aber sagt die KPD die Revolution im letzten Moment wieder ab.
Bis heute ist unklar, wieso diese Nachricht die Genossen an der Elbe nicht erreicht – oder hat jemand sie nicht weitergegeben? Die kommunistischen Hundertschaften in der Hansestadt beginnen mit dem Aufstand, liefern sich in Barmbek, Schiffbek und anderswo blutige Straßenschlachten mit der Polizei und haben keine Ahnung, dass sie ganz allein und auf verlorenem Posten kämpfen.
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Nach zwei, drei Tagen ist der Spuk vorbei, mehr als 100 Menschen – darunter viele Polizisten – haben bei diesem überflüssigen Blutvergießen ihr Leben gelassen.
Zwei Wochen nach den Kommunisten rief in München Adolf Hitler zum Putsch auf
Es ist bekanntlich nicht der einzige Putschversuch des Jahres 1923. Nur zwei Wochen nach Hamburgs Kommunisten ruft in München ein damals noch ziemlich unbekannter Mann mit seltsamem Schnauzbart zum Umsturz auf. Der Hitler-Putsch scheitert genauso wie der Kommunistenaufstand in Hamburg.
Das Buch „Die bedrohte Stadtrepublik“ ist im Verlag Wachholtz erschienen, hat 252 Seiten und beeindruckt mit vielen, teils unveröffentlichten Fotos. Es kostet 34 Euro. ISBN: 978-3-529-05084-8. Am 20. September eröffnet das Museum für Hamburgische Geschichte ein Ausstellung, die auf dem Buch basiert: „Hamburg 1923 – die bedrohte Stadt“. Sie ist bis zum 7. Januar 2024 zu sehen.