Höllen-Rennen um die Welt: Ein Hamburger lernt die Vendée Globe auf harte Tour kennen
Sie wird nur alle vier Jahre ausgetragen. Zu anspruchsvoll sind die 45.000 Kilometer rund um den Globus. Und nur wenige trauen sich eine Teilnahme zu. Die Vendée Globe ist die wohl härteste Regatta für Einhandsegler der Welt. Zum ersten Mal dabei ist der Hamburger Boris Herrmann (39) – und der bekommt es schon früh im Rennen mit den extremen Widrigkeiten zu tun.
Irgendwo im Atlantik, etwa 550 Seemeilen südlich des Kaps der Guten Hoffnung, setzte der Franzose Kevin Escoffier am Montag in buchstäblich letzter Sekunde einen Notruf ab: „Ich brauche Hilfe, ich sinke. Das ist kein Scherz!“ Unmittelbar davor war seine mit Hightech vollgestopfte Yacht mit großer Wucht frontal in eine Welle geschlagen und quasi in zwei Teile zerbrochen. Reflexartig schnappte er noch seinen Überlebensanzug und stieg in seine automatisch aktivierte Rettungsinsel.
Vendée Globe: Hamburger Skipper Boris Herrmann teil des Rettungsteams
Kevin Escoffier, der im Gesamtklassement auf Rang drei lag, trieb nun machtlos auf seinem Rettungsfloß und musste auf Hilfe hoffen. Die letzte Position der Yacht gab die Rennleitung an Verfolger Jean Le Cam weiter, einem 61 Jährigen Segelveteran, der dem Unglücksort am nächsten war. Tatsächlich konnte er Escoffier erspähen, aufgrund der aufgewühlten See war eine Rettung aber nicht möglich – dann verschluckte die pechschwarze Nacht den Schiffbrüchigen erneut.
Die Rennleitung musste handeln und forderte weitere Skipper der Flotte auf, sich an der Rettungsaktion zu beteiligen: Yannick Bestaven, Sebastien Simon sowie Boris Herrmann waren in Reichweite und änderten dementsprechend ihre Kurse. Jeder hatte einen Sektor zugeteilt bekommen, um „die Nadel im Heuhaufen“ zu finden, wie Herrmann in einem YouTube-Video äußerte.
Vendée Globe: Kevin Escoffier nach Schiffbruch gerettet
Schließlich gelang es Jean Le Cam doch noch, seinen französischen Landsmann wiederzufinden und an Bord zu ziehen. Das wohl härteste Solo-Segelrennen der Welt wird seinem Ruf nach dieser dramatischen Rettungskation schon nach etwa einem Viertel der absolvierten Strecke mehr als gerecht.
33 Teilnehmer waren am 8. November im Start- und Zielort vor Les Sables-d’Olonne in Frankreich losgesegelt. Neben Escoffier mussten bereits zwei weitere Starter wegen Schäden an ihren Booten die Segel streichen. Auch Boris Herrmann musste schon Reparaturen in schwindelerregender Höhe vornehmen.
Vendée Globe: Boris Herrmann immer medial präsent
Das Vorsegel an seiner Yacht „Seaexplorer“ funktionierte nicht wie gewünscht, weshalb der Hamburger mit Höhenangst an die Spitze des 29 Meter hohen Mastes kletterte und das Problem behob. Auf seinem YouTube-Kanal kann sich der interessierte Zuschauer nicht nur über diese Reparatur selbst ein Bild machen, sondern den Alltag an Bord der 18 Meter langen Yacht hautnah miterleben.
Etwa zwei bis drei Videos stellt das Team des Hamburgers den Fans täglich zur Verfügung: Mittlerweile hat der YouTube-Kanal 13.200 Abonnenten – zu Beginn der Vendée Globe waren es wenige tausend. Die neueste Auflage der Soloregatta ist zu einem Medienspektakel geworden, bei der nicht nur der Kampf gegen das Meer sowie die eigenen Ängste eine Herausforderung sind, sondern auch die mediale Selbstdarstellung.
Boris Herrmann: Medienprofi auch durch Greta Thunberg
Boris Herrmann ist bei Followern und Abonnenten aus aller Welt zusätzlich zu seiner lässigen Art und Weise deshalb so beliebt, weil er seine Videos überwiegend auf Englisch kommentiert – der Großteil der französischsprachigen Teilnehmer bleibt bei seiner Muttersprache.
Den lockeren Umgang mit den Medien konnte der Wahlhamburger Herrmann, der selbst Nachhaltiges Management studiert hat, schon im Sommer 2019 professionalisieren. Denn da bot er der schwedischen Umweltschutzaktivistin Greta Thunberg an, sie mit seiner Yacht klimaneutral zum UN-Gipfel 2019 nach New York zu fahren. Die zweiwöchige Atlantiküberquerung löste natürlich einen gigantischen Medienrummel aus.
Globe Vendée – ein weiter Weg für Boris Herrmann
Zwei Wochen erscheinen aber fast etwas lächerlich gegen die gut 80 Tage, die die Segler für die Vendée Globe im Normalfall benötigen – wenn alles glatt läuft. Drei Wochen mit Höhen und Tiefen hat der Hamburger, der sich über Jahre akribisch auf seinen großen Traum vorbereitet hat. Als erstem deutschem Teilnehmer der Vendée Globe überhaupt ist ihm auch in den kommenden Wochen die Aufmerksamkeit gewiss – also keine Zeit zum Ausruhen.