• Die U3 führt als Ringlinie durch das Zentrum der Stadt. 
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HVV-Boss im Interview: Die Auswirkungen von Corona auf Bus und Bahn

Durch die Coronakrise hat sich der Alltag verändert – das macht sich auch im Verkehr bemerkbar. Über die Auswirkungen hat die MOPO mit Geschäftsführern ausgewählter Unternehmen aus der Mobilitäts-Branche gesprochen – über aktuelle Probleme, neue Maßnahmen und Strategien für die Zukunft. Für den Start der Reihe gibt Dietrich Hartmann, Geschäftsführer des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV), Auskunft.

MOPO: Auf welchem Bereich des HVV hat sich die Coronakrise besonders ausgewirkt?

Dietrich Hartmann: Durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens nutzten vorübergehend deutlich weniger Fahrgäste den HVV – phasenweise hatten wir nur noch ein Drittel unserer bisherigen Fahrgastzahlen zu verzeichnen. Aber es geht spürbar aufwärts. Seit Anfang Juni sind wieder deutlich mehr als die Hälfte der Fahrgäste, also etwa 1,6 Millionen Menschen pro Tag, im HVV unterwegs. Vor der Krise, im vergangenen Jahr, waren es etwa 2,6 Millionen täglich. Das liegt natürlich auch daran, dass es mit Zunahme der Lockerungen wieder mehr Anlässe gibt, mobil sein zu wollen und den ÖPNV zu nutzen. Viele Menschen kehren nach und nach zurück in ihre Büros. Es hat aber auch damit zu tun, dass mehr Klarheit darüber herrscht, wie sich das Virus auswirkt.

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HVV-Geschäftsführer Dietrich Hartmann hat im Interview mit der MOPO über die Folgen von Corona auf das Unternehmen gesprochen.

Foto:

Martina Cyman

Welche Vorkehrungen mussten Sie in der Krise treffen – in Bezug auf die Verkehrsmittel, die Mitarbeiter und die Fahrgäste?

Im Bus wurden die vordere Tür und der vordere Bereich gesperrt. Fahrkarten konnten daher nicht mehr beim Fahrer gekauft werden, sondern nur noch über Automaten, Onlineshop oder App. Außerdem wurden in U- und S-Bahnen sowie Bussen die Türen bei jedem Halt automatisch geöffnet, sofern technisch möglich, und das ist immer noch so. Weitere Maßnahmen für maximalen Schutz vor Ansteckung sind im Verlauf der Krise hinzugekommen, insbesondere die Maskenpflicht in unseren Fahrzeugen und Haltestellen – und etwa 95 Prozent der Fahrgäste im HVV halten sich daran.

Hygieneteams sind im HVV unterwegs, reinigen und desinfizieren Fahrzeuge und Haltestellen – zusätzlich zu den Reinigungsmaßnahmen, die ohnehin regelmäßig durchgeführt werden. Zudem werden aktuell immer mehr Busse mit Trennscheiben zu den Fahrern ausgestattet.

Gab es durch die Coronakrise Auswirkungen auf den Fahrplan? 

Nein. Trotz der Krise haben die Verkehrsunternehmen das volle Angebot aufrechterhalten. So konnten alle, die trotz der Krise auf den ÖPNV angewiesen waren und nicht im Homeoffice arbeiten konnten, ausreichend Abstand halten. Wir wollten die Sicherheit hoch halten. Das hat natürlich auch viel Geld gekostet – keine Frage. Aber es war die richtige Entscheidung. 

Hat der HVV durch Corona besonderen Schaden genommen? 

Ja, deutliche Einnahmerückgänge als Folge der viel geringeren Fahrgastzahlen vor allem zu Beginn der Krise. Trotz der Abo-Pause, die wir unseren Kunden möglich gemacht haben, haben wir natürlich mehr Abo-Kündigungen als sonst zu verkraften. Doch dafür gibt es ja auch den jetzt beschlossenen Rettungsschirm des Bundes, der die entgangenen Einnahmen weitgehend kompensieren soll. 

Glauben Sie, der ÖPNV in Hamburg ist in Zeiten von Corona ein sicheres Verkehrsmittel? Man hat ja den Eindruck, dass viele Leute Angst vor einer Ansteckung in Bus und Bahnen haben und deshalb lieber das Auto nehmen. Können Sie diese Sorge nachvollziehen? 

Wenn man sich an die Regeln hält, wie zum Beispiel an die Maskenpflicht und die Hygiene-Richtlinien, dann glauben wir, dass es sicher ist. Wir tun jedenfalls alles, was wir können. Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht im ÖPNV kein höheres Ansteckungsrisiko als in anderen öffentlichen Räumen.

Über die Notwendigkeit der Maskenpflicht wird bei vielen immer wieder diskutiert. Wie stehen Sie dazu? 

Wir halten die Debatte zumindest mit Blick auf den öffentlichen Nahverkehr für verfrüht. Immer mehr Fahrgäste nutzen den ÖPNV wieder. Und gerade dort, wo es nicht immer möglich ist, Abstand zu halten, ist die Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, unverzichtbar. Wir sehen ja auch, dass es etwas bewirkt und die Menschen sich dadurch sicherer fühlen. 

In welchem Umfang werden Ihre Mitarbeiter getestet? 

Für alle Mitarbeiter im HVV und in den Verkehrsunternehmen gelten die gängigen Regeln, die auch für andere Mitarbeiter in Unternehmen gelten: Wer Symptome zeigt, sollte sich testen lassen. Und alle, deren Arbeitsfeld das möglich macht, wurden umgehend ins Homeoffice geschickt, um das Ansteckungsrisiko von vornherein zu minimieren. 

Hat sich durch die Krise in Ihrem Unternehmen etwas Grundsätzliches an den Strategien geändert? 

Nein, wir halten weiterhin an den großen Zielen fest, mit Politik und Verkehrsunternehmen die Mobilitätswende herbeizuführen und den Schutz unseres Klimas zu verbessern. Und natürlich auf dem Weg dahin auch die Projekte weiterzuführen, die wir als unseren grundlegenden Auftrag verstehen. Gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen arbeiten wir beispielsweise daran, den „Hamburg-Takt“ weiter auszubauen, um künftig zumindest im Stadtgebiet überall in fünf Minuten ein Verkehrsangebot zu erreichen, das sich durch die komfortable Verbindung von klassischem ÖPNV und anderen Sharing-Angeboten auszeichnet. Dabei ist die Verflechtung mit dem Umland von wesentlicher Bedeutung. 

Wann rechnen Sie wieder mit einem „Normalbetrieb“?

Wir erwarten nach den Sommerferien noch mal einen deutlichen Anstieg der Fahrgastzahlen. Dann werden voraussichtlich wieder alle Schüler unterwegs sein und noch mehr Menschen in ihre Büros fahren. Je nach Entwicklung der allgemeinen Situation wird es vielleicht weitere Lockerungen und damit mehr Fahrgäste geben.

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Und auch wenn das Homeoffice einen neuen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen wird und sich bisherige Berufsverkehrszeiten entzerren werden – wir wollen unser Angebot nach wie vor ausweiten und glauben, dass die Fahrgäste auch in gewohnter Zahl zurückkommen werden. Aber wann wir das ursprüngliche Niveau wieder erreichen werden, lässt sich derzeit nur schwer sagen.

Wir führen dieses Gespräch Mitte Juli – wann sind Sie eigentlich das letzte Mal mit der Bahn gefahren? 

Gestern. Ich fahre gern mit der Bahn. Ins Büro fahre ich aber fast immer mit dem Rad

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