• Immer mehr Kleingartenanlagen sind vom Bauboom bedroht – so wie diese in Langenhorn.
  • Foto: Florian Quandt

Immer mehr Lauben müssen weichen: Der Angriff auf Hamburgs Kleingärten

Die Wartelisten lang, die Sehnsucht nach einem Stück Natur in der Stadt groß: Kleingärten sind beliebt wie lange nicht – und gleichzeitig so bedroht wie nie. Denn Hamburg braucht Wohnungen. Überall in der Stadt müssen die Lauben samt Kirschbaum, Hochbeet und Spielrasen Bauprojekten weichen. Doch auch der Widerstand wächst.

311 Kleingartenvereine gibt es in Hamburg. Doch viele sind bedroht vom Bauboom. Welche genau, ist gar nicht so einfach rauszufinden. Die Stadtentwicklungsbehörde hat keinen Überblick, die wenigsten Bezirke können eine klare Antwort liefern. Wer wissen will, wo was geplant ist, muss sich durch Wohnungsbauprogramme und Bebauungspläne arbeiten. Der Angriff auf die Kleingärten, er läuft im Verborgenen.

Der Angriff auf die Kleingärten geschieht im Verborgenen

So wie in Langenhorn. 185 Parzellen müssen für Wohnungen weichen, mitten im Landschaftsschutzgebiet. Die Empörung vor Ort ist groß, als die Planung vor einigen Wochen bekannt wird. Der Fall zeigt: Nicht mal vor den Grünen, die vor Ort den Bezirksamtsleiter stellen, sind die für Flora und Fauna so wichtigen Kleingärten sicher.

Oder in Barmbek an der Saarlandstraße, wo einst Blumen blühten und Tomaten wuchsen und jetzt Wohnblöcke stehen.

Oder in Eilbek, wo Dutzende Kleingärtner für Büro- und Gewerbeflächen weichen sollen. Oder in Wilhelmsburg, wo im Korallusviertel eher nebenbei viele Kleingärten hinter einer großen Hochhausanlage platt gemacht werden sollen. Ein beliebter Kniff dabei: Die Anzahl der Kleingärten soll möglichst gleich bleiben, dafür werden die Parzellen geschrumpft, teils um ein Drittel der Fläche. Aus einem Paradies für Tiere, Pflanzen, Kinder und Rentner wird ein Mini-Garten, in den kaum ein Bäumchen passt.

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Allein im Bezirk Altona sind 20,4 Hektar Kleingartenfläche als potenzieller Baugrund für Wohnungen vermerkt. Das entspricht einer Fläche größer als die Binnenalster.

Gegen diesen Trend hat sich Widerstand formiert. Der Verein „SchreberRebellen“ will die Lauben retten. Die Initiative bemängelt, dass die Verfahren um die Bebauung oft undurchsichtig seien. Den Kleingärtnern werde der Pachtvertrag gekündigt, ohne Angaben über die künftige Nutzung der Flächen. Das erschwere eine Gegenwehr erheblich.

Stadt profitiert finanziell vom Wohnungsbau

Zudem wirft der Verein der Stadt vor, aus rein wirtschaftlichen Motiven zu handeln. Durch die Bebauung der Flächen würde ein größerer Ertrag generiert als durch die Verpachtung an Kleingartenvereine. „Der Ausverkauf des Hamburger Grundes und Bodens an profitorientierte Unternehmen ist ein politischer Offenbarungseid“, schimpfen die „SchreberRebellen“.

Auch für Tiere und Pflanzen ist der Schwund der Kleingärten ein herber Schlag, moniert der Nabu. Gerade die Artenvielfalt leide. ​Die Schäden: unumkehrbar. Die Gärten seien von elementarer Bedeutung für Vögel, Säugetiere und Insekten. Hinzu komme die kühlende Wirkung der Gärten in Zeiten des Klimawandels.

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Dirk Sielmann ist der Vorsitzende des Landesbunds der Gartenfreunde (LGH) und sieht die Bebauung der Kleingartenanlagen kritisch.

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dpa

Auch Dirk Sielmann, der Vorsitzende des Landesbunds der Gartenfreunde, betont, dass der Schutz der Biotope höchste Priorität haben müsse. „In anderen Grünanlagen der Stadt findet man eine solche Artenvielfalt nicht. Einige Kleingärten beherbergen über 2000 verschiedene Arten!“

Den Vorsitzenden ärgert, dass die Stadt teils ohne konkreten Kündigungsgrund Kleingärtner vertreibt. „Nehmen wir die Kleingartenanlage in Dulsberg, die bebaut werden soll. Es gibt noch keinen festgestellten Bebauungsplan und trotzdem wird eine Kündigung seitens der Stadt veranlasst.“ Zum Teil würde es dann fünf Jahre dauern bis ein Bebauungsplan steht. „Das ist schlicht unverhältnismäßig.“ Sein Verband wehrt sich jetzt juristisch.

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Jedoch hebt Sielmann hervor, dass die Verträge mit der Stadt eigentlich gut seien, sowohl was Entschädigungen angehe, aber auch die Verpflichtung, für jeden gekündigten Kleingarten Ersatz zu schaffen. Das besagt ein Vertrag von 1967. Das Problem: Große Parzellen mit bis zu 1000 Quadratmeter fallen weg, die neuen haben nur einen Bruchteil der Fläche. Sielmanns Fazit: „Es immer ein Fehler, einen Kleingarten zu bebauen.“

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