Hamburgs verzweifelte Suche nach Impfwilligen
Alle 20 Minuten ertönen im HVV Durchsagen, dazu gibt es Werbetafeln, eindringliche Mahnungen, zunehmenden Druck und jetzt auch noch Musik: Der Senat wirbt immer verzweifelter um Impfwillige. Denn in Hamburg macht sich große Impfmüdigkeit bereit, die Zahl der Erstimpfungen sinkt rapide. Doch Die Impfquote ist nicht hoch genug.
Vor wenigen Wochen noch war der Ansturm auf die Termine groß und der Impfstoff knapp. Eine Impfung zu ergattern war für manche wie ein Sechser im Lotto. Diese Zeiten sind vorbei.
Hamburger Impfzentrum: nur noch 10.000 Erstimpfungen pro Woche
Aktuell gibt es in Hamburg wieder nur so wenige Erstimpfungen wie Ende Februar, Anfang März – dabei gibt es Impfstoff im Überfluss. Zwar werden in Hamburg immer noch pro Tag teils mehr als 10.000 Menschen geimpft, der Großteil sind aber Zweitimpfungen.
Im Impfzentrum etwa fanden in der vergangenen Woche nur knapp 10.000 Erstimpfungen statt – davon rund 7000 ohne Termin. Nach Angaben der Sozialbehörde kamen im Schnitt täglich 1000 Erstimpflinge ohne Termin und etwa 300 bis 600 Hamburger:innen mit.
Weggeschmissen wird hier aber nichts. Die Impfzentren erhalten keine maximalen Mengen Impfstoff mehr, sondern nur so viel, wie sie bestellen, teilte die Sozialbehörde mit. „Zu keinem Zeitpunkt musste Impfstoff vernichtet werden, weil er wegen eines ablaufenden Haltbarkeitsdatums nicht mehr genutzt werden konnte“, sagt Sprecherin Anja Segert. Impfstoffdosen, die hier nicht mehr zum Einsatz kommen, aber für Spenden an Drittstaaten geeignet sind, können an das zentrale Lager des Bundes zurückgegeben werden.
Hamburg startet „Lange Nacht des Impfens“
Um mehr Menschen zum Impfen zu bewegen, versuchen es viele Städte mit kreativen Ideen. Vor Kurzem sorgte der thüringische Ort Sonneberg mit einer Impfaktion für Aufsehen, bei der es nach jedem Piks eine Gratis-Bratwurst gab. In Hamburg startet am Freitag die „Lange Nacht des Impfens“ in den Messehallen. Bis 23 Uhr können sich Impfwillige ohne Anmeldung einfach so eine Spritze abholen. „Wenn man Musik mag, dann sollte man vorbeikommen“, sagt Senatssprecher Marcel Schweitzer. Mehr könne er noch nicht verraten.
Senatssprecher: „Brauchen deutlich höhere Impfquote“
Noch bis zum 10. August gibt es für alle Hamburger:innen ab 16 Jahren täglich von 8 bis 20 Uhr die Möglichkeit, sich eine Erstimpfung im Impfzentrum abzuholen. Minderjährige müssen von einem oder einer Erziehungsberechtigten begleitet werden. Danach wird es im Impfzentrum nur noch Zweitimpfungen geben. Perspektivisch soll das Zentrum Ende August schließen, dann gibt es Erstimpfungen vor allem in Praxen, Kliniken und durch mobile Teams. „Eine Impfung schützt am sichersten vor einer schweren Erkrankung“, so Schweitzer. „Insofern gilt: Ärmel hoch, Hamburg! Wir brauchen noch eine deutlich höhere Impfquote.“
Hamburg: Nur die Hälfte ist vollständig geimpft
Rund 50 Prozent aller Hamburger:innen sind bisher vollständig geimpft. Damit liegt die Hansestadt im bundesweiten Vergleich auf einem der hinteren Plätze. 64 Prozent haben mindestens eine Impfung erhalten, hier liegt die Stadt im oberen Mittelfeld.
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Das Robert-Koch-Institut (RKI) hält angesichts der ansteckenderen Delta-Variante eine Impfquote von mindestens 85 Prozent bei den 12 bis 59-Jährigen für nötig. Bei Menschen über 60 Jahren sogar 90 Prozent. Welche Szenarien andernfalls für die vierte Corona-Welle drohen, hat das RKI in einem Modell berechnet. Schafft Deutschland es bis zum Winter nicht auf eine Impfquote von über 75 Prozent, könnten wieder tausende Corona-Patient:innen auf den Intensivstationen liegen.
Impf-Werbung im öffentlichen Nahverkehr
Der Senat will nun auch mit Werbung in sozialen Netzwerken, an Haltestellen und Durchsagen im öffentlichen Nahverkehr auf das Impfangebot aufmerksam machen. Niedrigschwellige Angebote in Bürgerzentren, Kirchen und anderen Einrichtungen sollen den Weg zur Impfung zusätzlich erleichtern. Gleichzeitig wird der Druck erhöht: Gratis-Tests soll es bald nicht mehr geben, betonen immer mehr Hamburger Politiker. Und Bürgermeister Tschentscher will Lockdown-Maßnahmen am liebsten nur für Ungeimpfte verhängen.
Am Ende bleibt das Impfen gegen Corona aber eine individuelle Entscheidung. Schweitzer: „Wir können niemanden dazu verpflichten und werden das auch nicht tun.“