Impfung für Seeleute: Dieser Piks beendet ihre Gefangenschaft an Bord
Dieser Piks bringt ihnen die Freiheit: Rund 40 Seeleute sind am Freitag in Waltershof gegen das Coronavirus geimpft worden. Damit hat Hamburg als erster Hafen die monatelange Gefangenschaft an Bord für viele der Seefahrer beendet.
Eine lange Schlange bildet sich am Mittag vor dem Seemannsclub „Duckdalben“ gleich neben dem Terminal Eurogate. Geduldig warten die kräftigen Kerle, bis sie an die Reihe kommen. „Wir hatten bisher keine Chance auf eine Impfung“, erzählt Praba Haran, Schiffsmechaniker auf dem Containerfrachter „Ever Gifted“, der am Dienstag in Hamburg eingelaufen ist. „Ich bin frühestens in neun Monaten wieder zu Hause in Indien. Doch auch dann wäre es schwierig. Die Wartelisten sind dort sehr lang.“
Landgänge waren für die Seeleute zuletzt fast überall verboten
Die vergangenen Monate waren für den 33-Jährigen aus Pondicherry und seine Kollegen hart. Landgänge waren untersagt, Crew-Wechsel kaum möglich. Die Mannschaften blieben völlig isoliert. Zu groß war die Gefahr eines Corona-Ausbruchs an Bord der Frachter, welche die deutsche Bevölkerung mit wichtigen Gütern versorgten.
Problem: Ohne deutschen Pass konnten die Seefahrer hier bisher nicht geimpft werden. Genauso wenig wie in Großbritannien, Frankreich oder anderswo. Die USA waren das erste Land, das begann, die Seeleute unabhängig von ihrer Nationalität zu impfen. Die Niederlande und Belgien folgten. Auch Hamburg hat sich für die Seeleute stark gemacht. „Wir hoffen sehr, dass von diesem Termin ein Signal an die deutschen Häfen ausgeht, die Seeleute unabhängig von ihrer Nationalität zu impfen“, erklärte Ralf Nagel, Geschäftsführer des Reederverbands. Weltweit gibt es 1,7 Millionen Seeleute auf 60.000 Handelsschiffen. Und Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) ergänzte: „In einer globalisierten Welt spielt die Schifffahrt für uns alle eine wesentliche Rolle, weil sie viele Güter des täglichen Bedarfs erst möglich macht. Gleichzeitig geht von grenzüberschreitender Mobilität ein Risiko für die Verbreitung unter anderem neuer Virenvarianten aus. Seeleute zu impfen, ist also für die Menschen an Bord ebenso ein Schutz wie für die Menschen in Hafenstädten.“
Hamburg: Seeleute bekommen AstraZeneca geimpft
Praba Haran lächelt unter seiner Maske, als Hafenärztin Scarlett Kleine-Kampmann ihn herbeiwinkt. Die Ärztin geht mit dem Seemann einen Aufklärungsbogen durch und befragt ihn zu Vorerkrankungen, Allergien und Medikamenteneinnahme. Praba Haran schüttelt zu allem den Kopf. Er ist kerngesund. Als die Hafenärztin die Spritze ansetzt, verzieht der 33-Jährige keine Miene. „How do you feel?“, fragt Scarlett Kleine-Kampmann anschließend. Praba Haran geht es blendend. Dennoch soll er sich zur Sicherheit nochmal für eine Viertelstunde nebenan im großen Saal des „Duckdalben“ aufs Sofa setzen. Dorthin, wo die Rettungsringe an der Decke hängen und Souvenirs aus aller Welt die Wände zieren. Ein anderer Hafenarzt steht bereit, für den Fall, dass einer der frisch Geimpften Kreislaufprobleme bekommt.
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Den Impfstoff können sich die Seemänner nicht aussuchen. Zwar wäre die Johnson & Johnson-Vakzine wegen der Einmaldosis sicher am sinnvollsten gewesen, doch an diesem Freitag gibt es AstraZeneca. „Der Impfstoff eignet sich gut, weil zwischen der ersten und der zweiten Impfung eine große Zeitspanne von vier bis zwölf Wochen liegt“, erklärt Hafenärztin Kleine-Kampmann. Die Männer, die hier heute ausgewählt wurden, sind auf Linien unterwegs, die sie in absehbarer Zeit wieder an die Elbe führen. Dann wird es den zweiten Piks geben. Praba Haran: „Ich bin sehr dankbar für dieses Angebot aus Hamburg.“