• Joan Damian Martinez (30) und Freundin Mieke Wittmann (31) kämpfen dafür, dass Martinez keine Kirchensteuer mehr zahlen muss.
  • Foto: Florian Quandt

In Hamburg: Wegen irrem Missverständnis – Musiker zahlt seit einem Jahr Kirchensteuer

St. Pauli –

Seit über einem Jahr lebt Joan Damian Martinez in Hamburg – und mehr als die Hälfte der Zeit hat er Ärger wegen seiner Kirchensteuer. Der Grund: Bei der Anmeldung in Hamburg hat der Musiker aus Versehen angegeben, evangelisch-lutherisch zu sein. Ein Missverständnis, das den Argentinier hunderte Euro gekostet hat. 

Kennen sie den Comic „Asterix erobert Rom“? In diesem gibt es eine Stelle, in der die beiden sympathischen Gallier Asterix und Obelix einen gewissen Passierschein A38 beantragen sollen. Der Beginn einer wilden Hatz durch die römischen Ämter, an deren Ende die Helden nur mit einem Trick – dem Vorzeigen eines fiktiven „Passierscheins A39“ – davonkommen.

Irre Behörden-Posse in Hamburg: Musiker muss Kirchensteuer zahlen

So ähnlich muss es sich auch für den argentinischen Gitarristen Joan Damian Martinez (30) anfühlen, der Anfang 2019 bei seiner Anmeldung in Hamburg aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse versehentlich angekreuzt hatte, „evangelisch-lutherischer“ Konfession zu sein: Der Beginn einer irren Posse im Behörden-Bermuda-Dreieck zwischen Finanzamt, Bezirksamt und Kirche.

Das Problem: Die Konfession ist in Deutschland steuerpflichtig. Weil Martinez‘ Deutschkenntnisse noch nicht so gut sind, spricht die MOPO mit seiner Freundin Mieke Wittmann. Die Kurzfassung: „Das Finanzamt sagt, das Bezirksamt sei zuständig. Das Bezirksamt sagt, dass sie eine Negativbescheinigung der evangelischen Kirche brauchen. Die kann aber nicht ausgesprochen werden, weil er Mitglied ist, dadurch, dass er sich falsch eingetragen hat“.

Kirchensprecher: „Kirchensteuer wird zurückerstattet“

Auf Nachfrage der MOPO erklärt Remmer Koch, Sprecher des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Hamburg-Ost allerdings, dass die Kirche gar keine Negativbescheinigungen erstellen könnte. „Wenn sich herausstellt, dass die Kirchensteuer aufgrund einer versehentlich gemachten Angabe erhoben wurde, wird selbstverständlich die Kirchensteuer zurückerstattet“, sagt Koch. Das geschehe über den Lohnsteuerjahresausgleich.

Das könnte sie auch interessieren: Farb-Anschlag auf Kirche! Pastor: „Das war ein psychisch kranker Mensch“

Nach einigem Hin und Her ist das Bezirksamt Eimsbüttel im September 2019 bereit, die Angaben zu korrigieren. Das war aber gar nicht möglich, so Sprecher Kay Becker gegenüber der MOPO: Die Korrektur wurde aufgrund der Rechtssprechung nicht anerkannt. Das habe zumindest das kirchliche Verwaltungszentrum dem Bezirksamt so mitgeteilt.

Bezirksamt Eimsbüttel und Kirche sind sich uneins

„Das stimmt so nicht“, widerspricht Kirchen-Sprecher Remmers Koch im Gespräch mit der MOPO. Martinez sei „um das Ausfüllen eines kurzen Formulars gebeten“ worden, dann könnten die Angaben korrigiert werden. Tatsächlich wurde Martinez die Möglichkeit der Prüfung seiner Kirchenmitgliedschaft angeboten – immerhin darüber sind sich Kirche, Bezirksamt und der Musiker einig. 

„Die Prüfung der Mitgliedschaft ist jetzt der Strohhalm, an den wir uns klammern“, sagt seine Freundin Mieke Wittmann. Mit der Prüfung seines Status gehen der Musiker und seine Freundin aber das Risiko ein, dass es am Ende an der Kirche allein liegt, ob sie die über 600 Euro zurückbekommen, die Martinez bisher zahlen musste. „Deren Entscheidung ist dann für uns rechtswirksam“, so Wittmann.

Alternative wäre ein Kirchenaustritt, doch Freundin fürchtet Konsequenzen

Eine Alternative wäre der Austritt. Damit, so ist sich Wittmann aber sicher, würde ihr Freund eingestehen, dass er Mitglied der Kirche war – und damit wäre nach ihrer Ansicht auch sein Geld futsch. Geld, das Martinez eigentlich nicht hat. Mit seinem Gehalt unterstützt er bereits seine Familie in Argentinien und seine kranke Mutter in den USA.

Das könnte sie auch interessieren: Bei Sitzblockade: Polizeiseelsorger sorgt mit Aussage für Unverständnis

Wittmanns Aussage steht allerdings im Widerspruch zur Aussage von Kirchensprecher Koch, der der MOPO sagte, dass ein Kirchenaustritt nicht als Eingeständnis der Kirchenmitgliedschaft gewertet würde. 

Freundin erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden

Für Joan Damian Martinez und seine Freundin Mieke Wittmann ist der ganze Behörden-Hick-Hack eine Lehre. Wittmann: „Ich bin mittlerweile Visums-Expertin, ich bin Kirchensteuer-Expertin, ich bin seine Dolmetscherin. Ich finde das ganze ziemlich heftig für einen Ausländer in Hamburg, der keinen Dolmetscher hat. Ich bin Juristin, wenn selbst ich da nicht mehr durchsteige, wie soll das dann jemand regeln?“

Ihr Vorwurf: Es wird einem einfach nicht geholfen. Und eine Frage lässt die Juristin nicht los: „Wie kann Hamburg das Tor zur Welt sein, wenn in den Behörden kein Mensch Englisch kann?“

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp