Jeden Tag Jahrmarkt: So ist das Leben als Schaustellerkind
Jeden Nachmittag auf dem Jahrmarkt verbringen, kostenlos Pommes und Crêpes essen und so oft mit der Achterbahn oder dem Karussell fahren, wie man möchte: Was klingt wie ein schöner Kindheitstraum, ist für Kate Rasch und ihren Bruder Jimmy Realität. Doch dafür müssen die beiden auch Abstriche machen.
Am liebsten ist Kate im „Laser Pix“. Mit einem Wagen fährt sie in eine bunte Videospiel-Welt und schießt mit einem Laser-Shooter verschiedene Ziele ab. Wenn sie genug hat vom „Laser Pix“, dann fährt sie mit dem „Hip Hop Jumper“. Oder Autoscooter. Oder sie gönnt sich einen Burger, Crêpes oder Churros. Die Auswahl ist groß: Schließlich ist die Elfjährige auf dem größten Volksfest im Norden, dem Hamburger Dom zu Hause.
Hamburger Dom: So leben Kinder hier
Den Großteil des Jahres reisen Kate und ihr Bruder Jimmy (9) mit ihrer Familie von Jahrmarkt zu Jahrmarkt. Derzeit sind sie auf dem Heiligengeistfeld. Während ihre Eltern Jaqueline (38) und Toni Rasch (37) in ihrem Casino „Las Vegas“ und ihrer Churros-Bude hinter dem Tresen stehen, klappern die Kinder mit ihren Freunden die verschiedenen Fahrgeschäfte ab. Alles für lau – die Budenbesitzer kennen sich untereinander.
„Wir haben hier beide einen riesigen Freundeskreis. Zusammen mit unseren Schulfreunden haben wir also doppelt so viele Freunde wie normale Kinder“, sagt Kate.
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Zur Schule gehen die beiden im schleswig-holsteinischen Schmalfeld (Kreis Segeberg) – etwa 50 Autominuten von Hamburg entfernt. Die Eltern wollen ihnen ständige Schulwechsel ersparen. Deshalb haben sie eine Schule in einem Ort ausgewählt, der von allen Jahrmärkten im Norden zu erreichen ist. Oma Petra spielt täglich Fahrdienst für die Sechstklässlerin und den Viertklässler. Die Eltern hätten dafür keine Zeit.
„Es ist nervig, dass wir jeden Morgen um halb sieben losfahren müssen“, sagt Kate. „Aber dafür müssen wir uns nicht immerzu neue Freunde suchen.“ Nach der Schule besuchen die Elfjährige und ihr Bruder den Schulwagen auf dem Dom, wo ihnen bei den Hausaufgaben geholfen wird. „Und ab 16 Uhr können wir dann losziehen!“, sagt Jimmy. Er hat gerade das Fußballspielen auf einem Platz neben dem Heiligengeistfeld für sich entdeckt.
Für ihr aufregendes Leben müssen die Kinder in anderen Bereichen Opfer bringen. „Wir können nur selten in den Urlaub fahren, weil Mama und Papa in den Ferien arbeiten müssen“, erzählt Kate. Manchmal kann die Familie im Januar wegfahren, wenn die Lehrer die Kinder für ein paar Tage freistellen.
Eigene kleine Campingwagen sind für Kate und Jimmy bisher nur in Planung. Bisher müssen sich die beiden ein Abteil mit Stockbett im Wohnwagen ihrer Eltern teilen. Und so ein kleiner Bruder kann schon nerven: „Jimmy räumt einfach nie auf!“, sagt Kate.
Kate möchte für immer auf dem Jahrmarkt bleiben
Die Elfjährige sieht sich auch in Zukunft auf den Jahrmärkten – wie ihre Eltern und deren Vorfahren. Die Schaustellergeschichte der Familie geht zurück bis mindestens 1900. „Wer einmal Schausteller ist, bleibt es meist auch“, sagt Toni Rasch.
Während Jimmy sich auch als Fußballprofi sehen könnte, kommt für seine Schwester kein anderer Job infrage. Ihre Eltern sehen das ein bisschen anders: „Wir wünschen uns, dass die Kinder wenigstens eine Ausbildung machen. Dann können sie gern zurückkommen, wenn sie wollen.“
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Zum Ende des Gesprächs mit der MOPO werden Kate und Jimmy ungeduldig. Der Dom füllt sich mit Menschen, die Scheinwerfer leuchten, Musik dudelt aus jeder Ecke. Kates Freundin wartet schon an der Grillbude: Die beiden wollen losziehen. Und Jimmy wird auf dem Fußballplatz erwartet. Zum Abschied sagt Kate noch: „Wir kennen wirklich viele Jahrmärkte – aber der Hamburger Dom ist der coolste!“