Joris im Interview: „Hamburger gehen ganz schön krass ab“
Pop-Poet mit politischer Message: Am Mittwoch tritt Joris („Herz über Kopf“, „Nur die Musik“) im „Cruise Inn“-Autokino in Steinwerder auf. Die MOPO sprach vorab mit dem 30-Jährigen.
MOPO: Wusstest du vor der Corona-Zeit, was Autokino-Konzerte sind?
Joris: Ehrlich gesagt habe ich davor noch nie von sowas gehört. Und hättest du mich vor der Corona-Zeit gefragt, ob ich Lust hätte, sowas zu spielen, hätte ich auf jeden Fall mit „Nein“ geantwortet. Mittlerweile weiß ich aber, dass das gerade in dieser verrückten Zeit, in der man ja sonst mit so vielen Menschen nur schwierig zusammenkommen kann, eine wundervolle Art und Weise ist, doch Live-Musik zusammen zu erleben.
Wie fühlt sich das an, vor Hunderten Autos aufzutreten?
Als ich in Düsseldorf mein allererstes Autokino-Konzert überhaupt gespielt habe, bin ich auf die Bühne gekommen und war sofort überwältigt. Wenn es dunkel ist, sieht man einfach nur unzählige Scheinwerfer, eine geniale Kulisse – auf einem riesigen Platz, auf dem man normalerweise wahrscheinlich 40.000 oder 50.000 Menschen versammeln könnte. Erst hupen alle, dann wird es auf einmal mucksmäuschenstill, wenn ich anfange zu spielen. Auch wenn ich die Menschen nicht direkt sehe, merke ich, dass alle gebannt zuhören. Das ist eigentlich ein sehr, sehr schönes Gefühl.
Wie hast du den Beginn der Corona-Zeit erlebt?
Ich wusste erstmal nicht, wie es für mich als Künstler weitergeht. Der Festivalsommer stand ja eigentlich bevor, aber es war dann ja relativ schnell klar, dass die großen Festivals nicht stattfinden können. Das war natürlich erstmal mega schade. Und dann habe ich die Probleme gesehen, in die viele Frei- und Kunstschaffende direkt geraten sind: Viele in der Branche planen von Tag zu Tag, auch finanziell. Für unsere eigenen Leute aus der Crew haben wir schnell eine Art Rettungsschirm gesponnen, um alle über Wasser zu halten.
Joris im Interview: Aufstehen und Position beziehen ist extrem wichtig
Siehst du auch etwas Positives in dieser Zeit?
Ich erlebe, dass in dieser Zeit viele kreative, verrückte Ideen möglich sind – wie eben auch Autokinokonzerte. Das eröffnet natürlich ganz neue Möglichkeiten. Jeder sitzt sozusagen in seinem eigenen kleinen Wohnzimmer auf vier Rädern, das hat natürlich Einfluss auf die Art und Weise, wie man auftritt. Und weil man ja im Autokino ist, kann man zwischendurch kleine Filme zeigen – was ja normalerweise auf einem Konzert auch nicht so möglich wäre.
Wenn du einen Wunsch frei hättest: Wie soll es jetzt weitergehen?
Mein Wunsch wäre, dass heute Abend ein Alien landet und Corona für Geschichte erklärt, indem es ein Medikament mitbringt, welches wir alle in Form von Musik zu uns nehmen – und wir dann ab morgen wieder große Festivals spielen können. (lacht) Realistisch gesehen wünsche ich mir, dass wir weiter auf einander aufpassen, dass wir auch an die denken, die mehr gefährdet sind als die breite Masse. Und natürlich wünsche ich mir, dass wir Musik bald wieder so erleben können, wie sie gedacht ist: nämlich in schwitzenden Clubs, eng an eng. Auch damit diejenigen, die eben keine großen Autokino-Konzerte spielen können, wieder ihre Kunst machen können.
Du positionierst dich in den sozialen Medien immer wieder politisch, beispielsweise gegen Rassismus.
Das mache ich, weil es verdammt wichtig ist in der heutigen Zeit. Ich glaube, es gibt viele Dinge, die uns alle was angehen. Und ich als Musiker sehe für mich eine gewisse Verantwortung, weil mir eine Bühne geboten ist – und ich mich dementsprechend für den Rechtsstaat und Demokratie und die Werte, für die ich einstehe, stark machen will. Was jeder andere in seinem und ihrem Leben auch machen sollte.
Gibt es da einen Wandel in der Popmusik-Welt?
Ich glaube, dass einen Wandel in der Gesellschaft generell gibt. Dass die Politik viel mehr in den Fokus rückt – auch weil die Gegenstimmen der Demokratie immer lauter werden, Stichwort AfD im Bundestag. Da gibt es viele, die jetzt aufstehen und Position beziehen, nicht nur Künstler. Das finde ich in dieser Zeit extrem wichtig. Die junge Generation setzt mit „Fridays for Future“ und Co. wichtige Themen. Und es gibt immer mehr tolle Organisationen, die sich gesellschaftlich engagieren – wie eben Viva con Aqua aus Hamburg, die guten Jungs und Mädels, die eine gewisse Kultur von Bewusstsein geschaffen haben – dadurch, dass sie in Nicht-Corona-Zeiten Pfandbecher für sauberes Trinkwasser in der ganzen Welt sammeln. Es gibt viele solche Aktionen, die immer mehr Anklang finden.
Neben Viva Con Agua: Was verbindest du mit Hamburg?
2015 habe ich das allererste Mal im Nochtspeicher gespielt, damals hochverlegt aus der Prinzenbar. Das war eine Offenbahrung, dass die Hanseaten, die man ja sonst immer eher als ruhig einschätzt, doch so krass abgehen können. Danach waren wir fast sowas wie die „Haus und Hof“-Band im Docks, haben dort wahnsinnig oft gespielt – und es hat immer riesigen Spaß gemacht. Deswegen freue ich mich auch auf das Autokinokonzert – übrigens unser letztes in diesem Jahr. Wir haben uns einiges überlegt, was man auf einem normalen Konzert von mir nicht so in der Form erleben kann. Insofern wird das ein wunderschönes Ding, das man nicht verpassen sollte.
- Konzert: 8. Juli, 21 Uhr (Einlass 20 Uhr), 2er-Karte (ein Pkw, zwei Plätze) 77 Euro, Tickets unter www.cruise-inn.de
Support-Act für Joris in Hamburg gesucht – und gefunden!
Im Vorfeld des Konzerts im Cruise Inn in Hamburg suchte die MOPO einen Supportact für Joris – das Echo war groß, knapp 50 tolle Künstlerinnen und Künstler aus Hamburg und Norddeutschland bewarben sich. Jetzt hat Joris eine Entscheidung getroffen:
Desmond Lewis, ein vielversprechender Indie-Folk-Newcomer-Act aus Hamburg, darf im Vorprogramm auftreten. „Ich bin ein bisschen fassungslos und freue mich riesig“, sagt Desmond Lewis zur MOPO. Mehr Infos und musikalische Kostproben unter
instagram.com/desmondlewismusic/