Der Angeklagte sitzt zu Beginn des Prozesses im Gerichtssaal im Strafjustizgebäude. Der 23-Jährige muss sich wegen Totschlags vor dem Landgericht Hamburg verantworten. Er soll im Fahrradkeller eines Wohnhauses eine junge Frau getötet haben.
  • Der Angeklagte zu Beginn des Prozesses im Gerichtssaal im Strafjustizgebäude. Der 24-Jährige soll im Fahrradkeller eines Wohnhauses eine junge Frau getötet haben.
  • Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius

Frau (20) im Keller vergewaltigt und erstickt – trotzdem keine Mordanklage!

Es ist der 10. Januar 2021, als eine junge Frau in Hamburg gewaltsam ums Leben kommt. Schauplatz des Verbrechens: der Fahrradkeller eines Mehrfamilienhauses im Rahel-Varnhagen-Weg in Neuallermöhe. Wenig später nimmt die Polizei den 23-jährigen Sharif A. als Tatverdächtigen fest. Am Montag hat der Prozess vor dem Hamburger Landgericht gegen ihn begonnen. Der Vorwurf: Totschlag – für die Familie des Opfers geht das nicht weit genug.

Es ist ein Sonntagnachmittag. Viktoria L. (20) nutzt den freien Tag, um Bewerbungen zu schreiben. Sie möchte in einem Hotel arbeiten, genau wie ihre Mutter. Das Management findet sie interessant. Dann verlässt sie den Schreibtisch, um kurz rauszugehen. „Das war das letzte Mal, dass ich sie lebend sah“, so ihre Mutter Irene L. später zur MOPO. Eine Stunde später klingelt es mehrmals an der Wohnungstür. Es ist die Polizei mit einer furchtbaren Nachricht. Viktoria L. ist tot. Sie wurde vergewaltigt und erstickt.

Viktoria starb im Alter von 20 Jahren. Honorarfrei
Viktoria starb mit 20.
Viktoria starb mit 20.

Hamburg: Mutmaßlicher Täter wählt Notruf

Auf der Anklagebank sitzt nun Sharif A., angeblich 23 Jahre alt. Er wählte damals den Notruf, führte die Rettungskräfte in den Keller des Mehrfamilienhauses. Als die Polizei dazu kam, flüchtete er, wurde jedoch wenig später gefasst. Er soll die junge Frau vergewaltigt und mit einer von ihm zuvor getragenen Jeans erstickt haben. Zuvor hat er ihr laut Anklage Opioide gegeben, die sie handlungsunfähig gemacht haben sollen.

Auf der Anklagebank schweigt Sharif A., er lauscht den Übersetzungen seines Dolmetschers. Er wirkt viel älter als 23 – es gibt auch Angaben über ein älteres Geburtsdatum. In weißem T-Shirt und blauer Jeans wirkt er eher unauffällig. Er lässt seine Verteidiger für ihn sprechen, möchte vorerst nichts zum Anklagevorwurf sagen.

Die Staatsanwaltschaft bewertete die Tat zunächst als Mord mit Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall. Mordmerkmal: Ermöglichung einer Straftat, sprich: der Vergewaltigung. Die Kammer lässt die Anklage allerdings nur als Totschlag zur Hauptverhandlung zu. Für den Vorwurf der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall gebe es nach Aktenlage keine ausreichenden Beweise, so die Einschätzung des Gerichts. Unklar ist offenbar auch, ob der Angeklagte das Opfer töten wollte, als er ihr seine Jeans ins Gesicht drückte.


Starten Sie bestens informiert in Ihren Tag: Der MOPO-Newswecker liefert Ihnen jeden Morgen um 7 Uhr die wichtigsten Meldungen des Tages aus Hamburg und dem Norden, vom HSV und dem FC St. Pauli direkt per Mail. Hier klicken und kostenlos abonnieren.


„Darüber sind die Eltern schockiert und traurig“, sagt Rechtsanwältin Claudia Krüger, die die Eltern als Nebenkläger vertritt. Sie hofften, dass der Angeklagte doch noch wegen Mordes verurteilt werde.

Der Angeklagte kommt aus Libyen, im Jahr 2016 flüchtet er nach Deutschland. Sharif A. wird direkt nach seiner Ankunft auffällig. Drogendelikte und Diebstähle machen auf ihn aufmerksam. Opfer und Täter haben sich gekannt. Die junge Frau aus Hamburg und der junge Mann haben sich ein halbes Jahr vor der Tat über Facebook kennengelernt. Der Angeklagte soll der 20-Jährigen Drogen verkauft haben, in erster Linie Marihuana. Aber er will mehr von der jungen Frau.

„Er wollte immer Sex mit ihr. Hat gegenüber anderen gesagt: Das ist meine Frau, die heirate ich“, sagt Krüger. Im Dezember hat Viktoria L. ihn schließlich bei der Polizei angezeigt wegen Stalkings. Doch einen schriftlichen Anhörungsbogen füllt sie nicht aus.

Prozess wird Ende Oktober fortgesetzt

Nach der Verhandlung sagt Rechtsanwältin Claudia Krüger: „Das ist das Allerschlimmste, was Eltern passieren kann. Wenn ein Kind stirbt. Das ist die falsche Reihenfolge. Das ist ein absolutes Trauma. Das lässt sie ein Leben lang nicht mehr los“, so Krüger.

Das könnte Sie auch interessieren: Rund 30 Jahre später: Mutmaßlicher Frauenmörder vor Gericht

Der Prozess wird am 29. Oktober mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt. Am 9. November sollen die Eltern des Opfers aussagen. Bis Ende des Jahres sind insgesamt sieben Prozesstage geplant.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp