Keine Ernte wegen Corona?: Jetzt könnten Obst und Gemüse knapp werden
Die Versorgung ist sicher, machen Sie sich keine Sorgen: Das sagt Landwirtschaftsministerin Julia Glöckner dieser Tage. Doch gleichzeitig versucht sie, dringend benötigte Arbeitskräfte für die Felder zu organisieren. Kurzarbeiter, Flüchtlinge, alle sollen mit anpacken. Denn bald könnten Obst und Gemüse knapp und teuer werden. Das Coronavirus droht zu gigantischen Ernteausfällen in Deutschland und in Südeuropa zu führen.
Erdbeerkönig Enno Glantz will in diesem Frühjahr vielleicht gar keine Erbeeren pflanzen. Das sagte der größte Erdbeerbauer Norddeutschlands der „Zeit“.
Grund ist die Sorge, dass wegen Corona keine Erntehelfer aus Osteuropa kommen. Das gleiche Problem gibt es auch beim Spargel. Und wenn das Virus in Italien und vor allem Spanien weiter so wütet, dann werden auch Tomaten, Paprika und Salat in diesem Jahr knapp und teuer. Denn sehr viel Gemüse für Deutschland wird dort angebaut.
Coronavirus: Darum könnten Obst und Gemüse knapp werden
Rund 160.000 Saisonarbeitskräfte sind auf deutschen Spargel- und Beerenfeldern jedes Jahr im Einsatz. Viele bleiben für die folgende Kirsch- und Apfelernte. Die Mehrheit von ihnen kommt aus Rumänien und Polen.
In Süddeutschland steht schon jetzt die Spargelernte an, doch die Arbeitskräfte aus Rumänien reisen nur zögerlich an. Denn sie haben Schwierigkeiten, über die Grenzen von Österreich und Ungarn zu gelangen.
Corona: Bleiben Erntehelfer aus Polen und Rumänien weg?
Auch bei polnischen Erntehelfern ist nicht sicher, ob sie wie gewohnt zur Ernte kommen. Sie können die Grenzen zwar immer noch in beide Richtungen passieren, aber das könnte sich jederzeit ändern. Zudem müssen Polen, die aus Deutschland in ihre Heimat fahren, derzeit erst einmal zwei Wochen in Quarantäne. Die Situation ist unübersichtlich, alles ändert sich von Tag zu Tag.
„Bricht eine Mutter unter diesen Umständen für einen ganzen Erntesommer nach Schleswig-Holstein auf? Lässt ein Vater mit diesem Wissen seine Kinder zurück? „Die Sorge, was passiert, wenn ein Verwandter in der Heimat krank wird, kann ich den Menschen nicht nehmen“, sagt Glantz in der „Zeit“.
Ab Mai bräuchte er 1.000 Erntehelfer. Deshalb überlegt der Erdbeerkönig nun, ob er gar keine oder deutlich weniger Beeren pflanzt.
Hamburg: Stoppt Erdbeer-König Enno Glantz Anbau?
Erdbeeren und Spargel sind Luxusgüter. Wenn sie durch Knappheit unerschwinglich teuer würden, könnten sich viele sicherlich damit arrangieren. Schwieriger wird es, wenn auch große Teile des Sommergemüses knapp und teuer werden. Und Tomaten, Paprika, Salat und Co. in deutschen Regalen kommen in großen Mengen aus Spanien.
Auch dort und in Italien sind rumänische Erntehelfer auf den Feldern im Einsatz. Viele von ihnen leben auch in den beiden Ländern. 1,3 Millionen in Italien, eine weitere Million in Spanien. Weil dort durch die Corona-Pandemie vieles brachliegt, wird laut „FAZ“ damit gerechnet, dass viele Erntehelfer keine Arbeit haben und die Heimreise antreten. Was gar nicht so einfach ist: Direkte Flug- und Busverbindungen nach Italien etwa sind untersagt, Grenzübergänge zum Teil geschlossen.
Coronavirus: Bauern starten Hilferufe
Um Erntehelfer zu rekrutieren, ruft die Erzeugergenossenschaft für Obst, Gemüse und Blumen Landgard jetzt auf Facebook dazu auf, sich als Erntehelfer zu melden. Viele Landwirte versuchen es auf dem gleichen Weg.
Armin Rehberg von Landgard sagt: „Noch können wir die extrem angestiegenen Lieferungen erfüllen. Und das bei Bestellmengen, die nahezu bei allen Kunden und Warengruppen um 30 bis 40 Prozent, mitunter bis zu 100 Prozent gestiegen sind.“
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Bauernverband und andere Agrarverbände appellieren an die Regierung, die Einreise von Erntehelfern sicherzustellen. Laut Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ist das Landwirtschaftsministerium in Gesprächen mit der Lufthansa, ob die Arbeitskräfte wegen der Beschränkungen an den Grenzen per Flugzeug nach Deutschland gebracht werden könnten.
Klöckner nannte die Landwirtschaft „systemrelevant“ für Deutschland. Verpasste Ernten könnten nicht nachgeholt werden und das, was nicht in die Erde komme, könne auch nicht geerntet werden. „Wir wissen hier um die Sorgen“, sagte die CDU-Politikerin. Zuletzt hatte Klöckner angeregt, derzeit nicht gebrauchte Mitarbeiter aus der Gastronomie und Hotellerie könnten über regionale Jobbörsen vermittelt werden und auf den Feldern aushelfen.
Kein Grund, Angst vor Hunger zu haben
Dennoch besteht kein Grund, Angst vor Hunger zu haben: Die typisch nordischen „Sattmacher“ wie Kartoffeln, Getreide, Rübengemüse werden größtenteils maschinell gesät und geerntet. Dann gibt es in diesem Jahr vielleicht weniger Paprika, Tomaten und Zucchini. Zudem hält die Bundesrepublik eine große Nahrungsmittelreserve für Notzeiten vor.