Die MOPO sprach per Telegram mit einem Dealer aus Hamburg. (Symbolbild)
  • Die MOPO sprach per Telegram mit einem Dealer aus Hamburg. (Symbolbild)
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Koks aus sozialen Netzwerken: Ein Dealer packt aus

Gestalten in dunklen Parks ansprechen, Übergaben in düsteren Gassen – so laufen viele Drogendeals schon lange nicht mehr ab. Wer Rauschgift kaufen will, kann das heute bequem über Messenger-Dienste tun. Die Polizei weiß das und trotzdem fühlen sich die Dealer hier sicher. Warum ist das so? Die MOPO hat mit einem Dealer gesprochen.

Wer per Klick an den Kick kommen will, braucht bloß einen kostenlosen Kommunikationsdienst wie Telegram runterzuladen – eine App, die übrigens nicht nur bei Drogennutzern, sondern auch bei Verschwörungsanhängern sehr beliebt ist. Hier Gruppen zu finden, in denen illegale Drogen angeboten werden – übersichtlich wie in der Speisekarte eines Restaurants – ist simpel. Die MOPO findet auf Anhieb drei – und kann einer sofort beitreten.

Drogenmenü bei Telegram
So werden Drogen bei „Telegram“ angeboten.

Drogen via Messenger: Einfacher geht es wohl kaum

Wie das Geschäft abläuft, will die MOPO wissen – und schreibt einen mutmaßlichen Dealer bei Telegram per Direktnachricht an. Und er antwortet prompt. „Ich bin der, der die Kurse heranholt, also die Kontaktleute hat“, schreibt der Mann, der naturgemäß anonym bleiben möchte, der MOPO. Er kaufe die Ware zu einem möglichst günstigen Kurs ein und verteilte diese dann an seine Handlanger.

„Die Leute sind dann auf ,Bunker‘ aufgeteilt und die Fahrer fahren für mich“, schreibt er. Zur Erklärung: „Bunker“ sind größere Zwischenlager, die strategisch über die Stadt verteilt sind, damit die Wege für die Fahrer nicht so weit sind und möglichst wenig Leute mit größeren Mengen Drogen herumfahren müssen. Die Fahrer, so schreibt der mutmaßliche Dealer der MOPO, transportierten die gekaufte Menge schließlich zum abgemachten Treffpunkt mit dem Käufer. Ohne eine Gegenleistung will er dann aber nicht mehr verraten – das Gespräch ist vorbei.

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Angst, erwischt zu werden, hat er offenbar nicht. So richtig verwundert das auch nicht, denn das Besondere an Telegram ist, dass die Plattform, die von Pawel Durow ins Leben gerufen wurde, nicht mit Staaten und Behörden kooperiert – und es so gut wie keine Zensur gibt. 

„Chaos Computer Club“: Dealer sollten sich nicht zu sicher fühlen

Experten – etwa vom „Chaos Computer Club“, der größten europäische Hackervereinigung – glauben trotzdem, dass Drogendealer sich bei Telegram nicht zu sicher fühlen sollten. „Telegram ist nicht sicherer als WhatsApp“, erklärt Jochim Selzer, Techniker beim „Chaos Computer Club“, im Gespräch mit der MOPO. Nur, wenn bei Telegram die Funktion „Geheimer Chat“ aktiviert werde, sei ein Gespräch so verschlüsselt, dass Dritte nicht mitlesen könnten. „Eine solche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist bei WhatsApp auch ohne Voreinstellung vorhanden“, so Selzer.

Außerdem werde bei beiden Messenger-Diensten das Telefonbuch hochgeladen, was bedeutet, dass personenbezogene Daten gespeichert und ausgewertet werden können. Bei WhatsApp aber liegen diese Daten auf einem Server in der USA, bei Telegram hingegen auf Servern, die auf der ganzen Welt verteilt sind. „Die Daten werden dementsprechend dann auch in mehreren Ländern verarbeitet“, so Selzer. Das mache es für die deutschen Ermittler schwierig, denn „Telegram‘ kooperiert im Gegensatz zu WhatsApp‘ weniger mit Behörden“.

Drogen in Hamburg: Polizei kennt die Telegram-Gruppen

„Es ist uns bekannt, dass in verschiedenen sozialen Netzwerken Betäubungsmittel zum Verkauf angeboten werden“, sagt Florian Abbenseth, Pressesprecher der Polizei in Hamburg. Aber man erhalte den Zutritt zu einer Gruppe oft nur über eine entsprechende Einladung oder eine Empfehlung. „Nach Kontaktaufnahme werden die Betäubungsmittel dem Käufer an vereinbarten Treffpunkten übergeben“, sagt Abbenseth und bestätigt damit, was auch der mutmaßliche Dealer der MOPO erklärte.

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Warum die Geschäfte weiterlaufen, obwohl die Polizei von der Rauschgiftkriminalität in den Telegram-Chats weiß? „Die Ermittlungen in diesen Bereichen gestalten sich schwierig, da die Täter häufig hoch konspirativ vorgehen“, sagt Abbenseth. Es sei nicht leicht, einen Einblick zu bekommen – trotz rechtmäßiger verdeckter Ermittlungen in derartigen Chats. Mehr will Abbenseth dann nicht sagen, um die Strategien der Polizei nicht zu verraten.

Bisher ist es so, dass Telegram die unterschiedlichsten Anfragen von Ermittlern nach Nutzerdaten von vermeintlich kriminellen Kanälen allesamt abgelehnt hat. Zumindest erklären sie das so auf ihrer Website: „Bis zum heutigen Tag haben wir 0 Byte Nutzerdaten an Dritte weitergegeben, einschließlich aller Regierungen.“ Und: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Netzwerke wie Facebook, YouTube und Twitter in Deutschland mittlerweile dazu verpflichtet, strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt zu melden, gilt bisher nicht für Telegram.

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