Kommentar: Die Schande von Thüringen
Erfurt –
Was am Mittwoch in Thüringen passierte, ist nicht weniger als ein historisches Ereignis: Mit den Stimmen von AfD und CDU wurde FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Zum ersten Mal hat die AfD aktiv an einer Regierungsbildung mitgewirkt – und das ausgerechnet in Thüringen, dem Bundesland, das wie kein Zweites für den Aufstieg des völkischen Flügels um Björn Höcke steht.
„Endlich eine Glatze, die in Geschichte aufgepassst hat“, steht auf einem Wahlplakat der FDP. Gemeint ist Thomas Kemmerich, Spitzenkandidat und nun gewählter Ministerpräsident.
Thüringen: Diese Wahl ist eine Schande
Die Realität zeigt: So ganz aufgepasst haben kann die selbsternannte Glatze namens Kemmerich nicht, denn: Wie kein zweiter Landesverband ist die AfD in Thüringen, von der sich Kemmerich am Mittwoch überraschend zum Minister hat wählen lassen, nach Rechtsaußen abgedriftet und macht im braunen Fahrwasser von Pegida und Heimatschützern Stimmung. Ausgerechnet mit diesen Stimmen und unterstützt von der CDU-Fraktion wird Kemmerich nun zum Ministerpräsidenten gewählt.
Entsprechend harsch fallen die Reaktionen im Erfurter Landtag aus, als Kemmerich im dritten Wahlgang – der aktuelle Ministerpräsident Bodo Ramelow war zweimal durchgefallen – überraschend mit 45 Stimmen gewählt wird. „Heuchler“,„Scharlatan“, schallt es aus dem Saal. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow wirft dem verdutzten FDP-Mann ihren Blumenstrauß vor die Füße.
Thomas Kemmerich reißt die falschen Mauern ein
Kemmerichs Lippenbekenntnisse nach der Wahl – die „Brandmauer gegenüber den Extremen“ bleibe bestehen – sind wenig beruhigend. Wer die Stimmen des Faschisten Höcke für seine Zwecke braucht, der reißt die falschen Mauern ein – nämlich jene zwischen der AfD und dem Spektrum der bürgerlichen Mitte.
Sollte es wirklich so kommen, dass CDU, die ihren Teil zur Wahl Kemmerichs und somit zum Skandal beigetragen haben und die FDP mit der AfD gemeinsame Sache machen, wäre im Osten wirklich die letzte Mauer gefallen.
Thomas Kemmerich hätte die Ehre der FDP retten können
Bereits vor Antritt der neuen Landesregierung ist also das passiert, was politische Gegner gefürchtet und was Kommentatoren vorhergesagt haben: Früher oder später findet die AfD ein Einfallstor in die Regierungsbildung. Es wäre naiv zu glauben, dass Kemmerichs fünf-Prozent-Fraktion der AfD nun keinen Gefallen schulden würde.
Kemmerich hätte die Ehre der FDP retten und die Wahl nicht annehmen können. Er hat es nicht getan. Die Dämme sind gebrochen, die Schande von Thüringen, sie ist Realität geworden.