Carsten Brosda auf einer Couch
  • Freut sich darauf, mit dem Kultursommer bei uns allen die „Klebekraft der Couch“ zu überwinden: Kultursenator Carsten Brosda (46)

Runter vom Sofa!

Der Kultursenator will uns anfixen, will uns in einen wochenlangen Rausch versetzen – mit mehr als 1000 Veranstaltungen auf über 100 Bühnen. „Wir wollen zeigen, wie großartig es ist, Kultur zu erleben“, sagt Carsten Brosda (SPD). Und so die gesamte Branche nach der langen Schließungszeit wieder zum Laufen bringen. Er ist auch selbst Teil des Programms – zusammen mit einer Band! Was genau er wo macht, verrät er hier.

MOPO: Können Sie den Kultursommer in drei Worten zusammenfassen?

Carsten Brosda: Drei Worte? (überlegt) Überall. Bunt. Spannend.

„Riesig“ würde auch passen. Sie toppen damit noch den „Wiener Kultursommer 2020“, der Vorbild für die Veranstaltung war, richtig?

Da kam die Idee tatsächlich her. Aber ich glaube, in der Größenordnung, in der wir das jetzt machen – es werden mehr als 100 Bühnen bespielt! –, ist das schon etwas Besonderes. Es ist sogar deutlich umfangreicher als bei den Wienern. Das war gar nicht unsere Absicht, es hat sich schlicht so ergeben durch die Begeisterung, die direkt bei den ersten Gesprächen mit den Kultur-Akteuren zu spüren war. Wir haben dann schnell gesagt: Wenn wir das schon machen, na, dann machen wir es auch groß.

… und bringen damit auch das Ökosystem Kultur wieder in Schwung?

Wir haben Anfang des Jahres begonnen, über den Kultursommer zu reden. Damals gab es keine Planungssicherheit, wir wussten nicht, was in drei, vier Wochen ist. Also haben wir einen Fluchtpunkt gesucht, der so weit in der Zukunft lag, dass wir davon ausgehen konnten: Das klappt! In der ersten Zoom-Konferenz zu dem Thema habe ich richtig gemerkt, wie so ein Ruck durch alle ging. Alle fingen an zu sprudeln, alle hatten Ideen. Man merkte: Jetzt kann wieder geplant werden, jetzt wird nicht mehr auf Sicht gefahren. Das war der erste Effekt. Der zweite Effekt ist dann tatsächlich, den Künstlerinnen und Künstler und allen Gewerken wieder Beschäftigung zu geben, damit das kulturelle Ökosystem wieder in Schwung kommt – mit dem Ziel, dass sie auch bleiben, wenn es später ohne zusätzliche Förderung weitergeht.

Ein dritter Effekt betrifft uns, das Publikum: Sie wollen uns heiß auf den Herbst machen, wenn der Betrieb wieder richtig anläuft. Warum ist das nötig? Sind wir alle Pandemie-Phlegmatiker in Sachen Kultur geworden?

Weiß ich nicht. Aber vorsichtshalber entgegenwirken kann ja nicht schaden. Jemand hat das mal schön in einer Diskussion zusammengefasst: Wir müssen die Klebekraft der Couch überwinden. Bekommen wir die Leute da eigentlich rausgelöst? Oder sind die Menschen zurückhaltend aus Sorge, dass es gefährlich sein könnte, mit anderen zusammen zu sein? Wir wollen die Leute aus ihren Wohnhöhlen rausholen und sie dazu bringen, im Herbst wieder gerne in die Kulturhöhlen zu gehen. Wir wollen zeigen, wie großartig es ist, Kultur zu erleben. Weil Kultur ja wie eine Droge ist, von der wir wissen: Wenn man einmal davon probiert hat, dann will man wieder.

Da liegt aber ja auch ein Problem: Was ist, wenn, nach Corona vor Corona bedeutet? Wie fangen Sie uns dann wieder auf, nachdem Sie uns erst süchtig gemacht haben?

Wir sind ja noch in Corona, und das werden wir auch noch eine ganze Zeit sein. Ich hoffe einfach, dass wir mit der Impfkampagne so weit vorankommen, dass wir auch mit einem Anstieg von Zahlen, den wir sicher im Herbst haben werden, anders umgehen können, weil dieser Anstieg sich nicht übersetzt in schwere Verläufe. Ich halte nichts davon, Selbstmord aus Angst vor dem Tod zu begehen, sondern bin dafür, dass wir die Gelegenheiten nutzen, die wir jetzt haben. Aber es ist auch klar, dass das hier jetzt noch nicht das große Fest ist, das Camus die Dorfbevölkerung am Ende von „Die Pest“ feiern lässt – denn die Pest, wenn man so will, ist noch nicht besiegt.

Noch nicht das große Fest, aber ein Kulturrausch. Wie sieht dieser rauschhafte Sommer für Sie persönlich aus? 

Ich weiß nicht, ob ich mir wirklich einen Plan machen werde, wann ich wo und wie bin. Ich werde eröffnen, werde mal bei einer Literaturlesung auf der Alster mitfahren. Und ansonsten hoffe ich einfach auf dieses wunderschöne Erlebnis, dass man sich durch die Stadt treiben lässt und auf Kultur stößt, die man nicht gesucht hat. Das ist ja ehrlicherweise auch das Großartige. Man geht irgendwo lang und hört Musik und guckt, was da ist. Und dann entdeckt man was Großes.

Sie sind auch selbst Teil des Programms – am 23. Juli auf der Rollschuhbahn!

Ja, ich darf auch mal auf die Bühne und nicht nur, um ein Grußwort zu halten. Ich habe im vergangenen Dezember mit den Jungs von Das Weeth Experience im Knust so eine – wir wissen bis heute nicht, wie wir das nennen sollen – Performance gemacht und ins Internet gestreamt: Ich habe gelesen und die Band hat improvisiert. Und das machen wir einfach nochmal, diesmal vor Publikum.

Bestimmt ein Highlight. Haben Sie noch weitere?

Ich finde vieles total spannend. Hochgradig interessant ist zum Beispiel, was die Art-Off-Häuser in ihren stadtweiten Flanier-Spaziergängen machen, bei denen Kunst in den öffentlichen Raum getragen wird. Es ist toll zu sehen, dass wir schaffen, auch in solche Sparten hineinzugehen. Super ist auch der Mut, andere Orte zu finden und zu sagen: Wir machen Opern im Hammer Park beispielsweise. Oder: Wir gehen mit Veranstaltungen in ein Parkhaus. Wir entdecken Orte und gucken, wie die sich so weiterentwickeln. Ich könnte jetzt so durch das komplette Programm gehen  – mich interessiert weitaus mehr, als mein Zeitbudget hergibt.

Das alles geht nur, weil die Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden. Rund zehn Millionen Euro werden allein für den Kultursommer verwendet.

In der Tat nehmen wir in diesem und auch im nächsten Jahr zusätzliches Geld in die Hand, um der Kultur durch diese Corona Zeit zu helfen. Und das auch ziemlich substanziell und mit dem Ziel, dass wir strukturelle Beschädigungen frühzeitig verhindern. Denn es werden schwierigere Jahre kommen, da muss man sich nichts vormachen, weil wir wahrscheinlich mit geringeren Steuereinnahmen zu kämpfen haben werden. Die Alternative wäre gewesen, dass wir sagen: Nee, das machen wir jetzt nicht, weil wir hinterher das Geld eh nicht mehr haben. Das wäre meiner Meinung nach die schlechtere Alternative. Wir sorgen lieber jetzt dafür, dass wir das gemeinsam hinbekommen: Strukturen wieder zügig in Gang setzen. Das Publikum davon überzeugen, zurückzukommen. Ausgleichen, solange noch pandemiebedingte Einschränkungen da sind, um die Einrichtungen und die Veranstalter so aus der Pandemie rauskommen zu lassen, dass sie sofort weitermachen können.

Wenn der Kultursommer am 17. August zu Ende ist, was möchten Sie dann empfinden?

Dankbarkeit, dass das gelungen ist! Die Behörde ist ja mit den ganzen Hilfsprogrammen und allem, was wir da so nebenbei in den letzten anderthalb Jahren gemacht haben, mehr als ausgelastet. Das jetzt noch on top zu machen, ist schon eine enorme Leistung. Die zweite Empfindung ist hoffentlich sowas wie Glück, denn das ist etwas, das Kultur mir vermitteln kann. Und drittens: ehrlicherweise ganz dringend mal wieder ein aufgeladener Akku. Ich schöpfe ganz viel aus dem, was ich durch Kultur vermittelt aufnehme. Und ich merke, dass mein Akku in dieser Hinsicht schon auf Reserve läuft und hoffe sehr, sehr, sehr darauf, dass ich dadurch aufgeladen in den Herbst gehen kann. Tatsächlich physisch mit anderen Menschen Kultur erleben, das ist nochmal etwas Unmittelbareres und Direkteres.

Miteinander auf etwas reagieren …

… und sich zum Nebenmann und der Nebenfrau umzudrehen und spontan und direkt Begeisterung zu teilen! Meine Freunde sind durchaus manchmal davon genervt, wenn ich abends anrufe, weil ich mit ihnen meine Begeisterung über irgendwas teilen möchte, das ich gerade gehört habe. Das geht deutlich leichter, wenn man zusammen auf der gleichen Party ist. Das wird beim Kultursommer wieder möglich sein, denn da sind wir gemeinsam – wenn auch auf Abstand – in dieser Situation. Ich glaube, das wird ganz groß.

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