Lebensmittel für alle: Hamburgerin lebt vom Gratis-Kühlschrank
Aus den Kühlschränken, die in der Amandastraße in Eimsbüttel vor einem Mehrfamilienhaus stehen, darf sich jede:r bedienen – ganz umsonst. Denn die Lebensmittel wurden vor der Mülltonne gerettet. Ricarda Kupzok (26) wohnt um die Ecke und ernährt sich seit einer Woche fast ausschließlich von den Produkten aus dem „Fairteiler“ – ums Geld geht es ihr dabei nicht.
Das Angebot ist wirklich gut. Radieschen, Tomaten, Frühlingszwiebel, Bananen – und alle Produkte sehen appetitlich aus, nicht anders als im eigenen Kühlschrank. Im Holzschrank daneben liegen noch jede Menge Brötchen und Kartoffeln. Das Obst und Gemüse hat weder Dellen, noch unschöne Flecken oder ist bereits angeknabbert. Von Müll kann nicht die Rede sein. Die Kühlschränke machen ebenfalls einen guten Eindruck, sehen aus, als seien sie erst kürzlich gereinigt worden.
Auch Ricarda Kupzok ist begeistert. Die 26-Jährige hat die Kühlschränke in der Amandastraße erst im Mai entdeckt. Seit einer Woche ernährt sie sich fast ausschließlich von den Produkten. Der finanzielle Aspekt ist für die studierte Ökotrophologin, die 2018 nach Hamburg zog und bei einem Online-Shop für nachhaltige Kleidung arbeitet, jedoch nicht der Grund. „Mir geht es um Nachhaltigkeit“, sagt Kupzok. „Ich möchte verhindern, dass Lebensmittel weggeschmissen werden. Ich sehe darin keinen Sinn.“
Verein „Foodsharing“ rettet Lebensmittel vor der Mülltonne
Knapp zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr in den Mülltonnen der Deutschen, das sind 75 Kilogramm pro Person – eine alarmierende Zahl. Um der Verschwendung entgegenzuwirken, hat der gemeinnützige Verein „Foodsharing“ das Kühlschrank-Konzept entwickelt. Produkte aus Restaurants, Supermärkten und von Privatpersonen, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, die ein Fehlkauf waren oder einfach übrig sind, können in einen der derzeit hamburgweit elf Kühlschränke gelegt werden. Jede:r darf sich dann einfach bedienen. „Fairteiler“ heißt das Projekt.
Ricarda Kupzok stillt ihren Hunger aus dem „Fairtailer“
Seit vier Jahren ist Kupzok schon Mitglied im Verein „Foodsharing“. Alle zwei Tage bedient sie nun am „Fairteiler“ in der Amandastraße. Nur Aufschnitt und Haushaltswaren kauft sie weiterhin im Supermarkt. Beides gibt es am „Fairteiler“ nicht. „Vor ein paar Tagen lag Spargel im Kühlschrank. Ich habe mich total gefreut, denn ich liebe Spargel. Mein Freund und ich haben abends gemeinsam gekocht und wurden beide ziemlich satt davon“, sagt sie. „Außerdem gab es diese Woche gefüllte Champignons mit Frischkäse und Süßkartoffelpüree“. Dieses Mal ergattert sie Johannisbeeren und einen Sack Kartoffeln.
So funktioniert das Konzept des Lebensmittel-Rettens
Der Verein „Foodsharing“ startete im Dezember 2012 in Deutschland, Österreich und der Schweiz und das Konzept zum Umverteilen von Lebensmitteln funktioniert auch in Hamburg so: Einige Restaurants und Lebensmittelhändler:innen kooperieren mit der Organisation. Einen Überblick gibt es auf der Homepage des Vereins. Händler:innen geben die Info, dass noch Ware übrig geblieben ist und stellen diese für „Foodsharing“-Mitglieder zur Verfügung. Die Produkte können dann von ihnen abgeholt werden.
Falls es für Einzelpersonen zu viel ist, werden die Lebensmittel dann zu den „Fairteiler“-Kühlschränken gebracht und jede:r kann sich bedienen. Auch Nicht-Mitglieder können Lebensmittel in den Kühlschrank legen. Denn wer kennt es nicht? Man hat zu viel oder das Falsche gekauft oder ist mehrere Tage nicht Zuhause. Bevor also etwas weggeschmissen wird, kann man es lieber mit anderen Hamburger:innen teilen.
„Faiteiler“ in Hamburg: Es gibt Regeln!
Es sind jedoch auch ein paar Regeln einzuhalten. „Es soll unbedingt darauf geachtet werden, dass die Anbieter:innen nur Ware in den Kühlschrank legen, die sie selbst noch verzehren würden, also keine verschimmelten oder verdorbenen Produkte“, erklärt der Verein „Foodsharing“. Außerdem soll auf rohes Fleisch und Produkte mit rohem Ei verzichtet werden. Die Regeln hängen an einer Pinnwand neben den Kühlschränken und sind auf der Webseite nachzulesen.
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„Es ist echt wichtig, dass sich jede:r an die Regeln hält. Nur so, kann das funktionieren“, sagt Kupzok. „Ansonsten ist der Kühlschrank für jede:n da. Egal ob arm oder reich. Es geht allein darum, zu verhindern, dass Lebensmittel, die eigentlich noch essbar sind, weggeschmissen werden.“