Leere Straßen, volle Häuser: Corona: Sinkt jetzt die Kriminalität?
Wegen der Coronavirus-Pandemie sind weite Teile des öffentlichen Lebens in Deutschland eingeschränkt. Auch in Hamburg wurden öffentliche Veranstaltungen untersagt, der Einzelhandel größtenteils auf Eis gelegt. Viele arbeiten von Zuhause aus, Familien bleiben in ihren Häusern, Straßen sind wie leergefegt – bedeutet das etwa, dass nun die Zahl der Verbrechen drastisch zurückgehen wird?
Die Rechnung scheint einfach: Mehr Leute in ihren Wohnungen gleich weniger Chancen für Einbrecher, in diese einzubrechen. Weniger Menschen in Einkaufszonen, weniger Chancen für Taschendiebe, nach Handys und Geldbörsen zu greifen. Aber ist das so einfach?
„Tatsächlich werden durch die Corona-Maßnahmen Bereiche abgeschafft, die bisher nur eingeschränkt kontrolliert wurden, wie Kaufhäuser oder der öffentliche Nahverkehr“, sagt Milan Kuhli, Professor und Rechtsexperte der Uni Hamburg. „Hierdurch verschieben sich auch Möglichkeiten kriminellen Verhaltens.“
Coronakrise und Kriminalität – Professor: Geänderte Möglichkeiten für Verbrecher
Doch wie die Auswirkungen genau sein werden, könne man laut Kuhli noch nicht prognostizieren, da noch nicht abzusehen sei, wie sich die Krise weiter entwickle. Es kann aber durchaus sein, dass andere Straftatengebiete Anstiege erleben werden: „Wenn Menschen in Quarantäne zu Hause sitzen, kommen sie vielleicht eher in die Gelegenheit, Opfer von Internetkriminalität zu werden.“ Auch die Zahlen im Bereich häusliche Gewalt könnten steigen. „Das kommt natürlich in Betracht.“
Aber: Dass Hamburg durch die Coronakrise allgemein sicherer wird, glaubt Kuhli nicht. „Es bestehen keine sinkenden Möglichkeiten für Verbrecher“, glaubt der Fachmann, „sondern höchstens geänderte Möglichkeiten.“
Ganz ähnlich sieht das Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Er glaubt auch, dass die Delikte im Bereich Straßenkriminalität zurückgehen werden, sagt aber dazu: „Die Täter aus diesem Bereich begehen Straftaten zum Zwecke des Lebenserwerbs. Wenn ein Einbrecher also nicht mehr in Wohnhäuser einsteigen kann, weil diese bewohnt sind, dann wird er in geschlossenen Läden sein Glück versuchen. Wenn sie nichts tun, haben sie nichts.“
BDK Hamburg: Täter werden auf anderen Felder umsteigen
Tendenziell also werden vermutlich Täter, die sonst Menschen ausrauben oder beklauen, auf andere Felder umsteigen, so Reinecke. Er sieht gerade den Bereich Waren- und Kreditbetrug, der ohnehin die vergangenen Jahre einen enormen Zuwachs erlebt hat, als besonders gefährdet. „Sich Sachen unter falschen Namen schicken zu lassen ist in Corona-Zeiten noch einfacher, da der Postbote nicht mal mehr eine Unterschrift entgegennimmt.“