• Sprengung der Schornsteine des ehemaligen Kohlekraftwerks in Moorburg am Sonntag.
  • Foto: Imago

Turm-Sprengung: Die zweifelhafte Freude der Umweltschützer über das Moorburg-Aus

Viele Umweltschützer und Grüne in Hamburg haben am Sonntag gefeiert: Die Schornsteine des Kohlekraftwerks in Moorburg wurden gesprengt, ein symbolischer Sieg nach jahrelangem Kampf gegen das „Kohle-Monster“. Doch so ganz unschuldig an dem Desaster sind weder Grüne noch Umweltbewegung. Und auch nach dem Bau gab es die nächste Fehlentscheidung.

Zur Wahrheit gehört: Ohne den Atomausstieg und die Stilllegung der Atomkraftwerke rund um Hamburg hätte es das drei Milliarden Euro teure Kohlekraftwerk, das den gesamten Strombedarf der Hamburger und der hiesigen Industrie decken konnte, nie gegeben. Was die Umweltverbände und weite Teile der Grünen bis heute verdrängen: Mit dem Ausstieg aus der Kernkraft wurde Deutschlands Stromversorgung auf Jahrzehnte an die fossilen Energieträger Kohle und Gas gebunden. Anstatt erst aus den klimaschädlichen Energieträgern auszusteigen, hat Deutschland es andersrum gemacht – was mittlerweile weltweit als epochaler Fehler angesehen wird.

Dunkelflaute: Deutschlands Kohlekraftwerke laufen auf Hochtouren

Das Ergebnis lässt sich dieser Tage sehr anschaulich betrachten: Seit rund einer Woche herrscht Dunkelflaute in Mitteleuropa. Kein Wind, keine Sonne. Die Leistung aus erneuerbaren Energieträgern liegt fast bei Null. Statt dessen importieren wir Atomstrom aus Frankreich und bei uns laufen Kohle- und Gaskraftwerke auf Hochtouren.

Wir haben in diesen Tagen einen der dreckigsten Strommixe der Welt. Und bis wir genug Wasserstoff aus Sonne und Windkraft produzieren, um die schwankenden Erneuerbaren klimaneutral auszugleichen, werden noch sehr, sehr viele Jahre vergehen – denn durch Elektroautos oder Wärmepumpen wird gerade im Winter die Stromnachfrage rasant steigen.

Lesen Sie auch: Fast die Hälfte Deutschlands kommt als Atomendlager in Betracht

Den zweiten Fehler haben Umweltverbände und Grüne während des Baus von Moorburg begangen: Vattenfall, massiv unter Druck, versuchte das Kraftwerk mit dem Angebot zu retten, eine der weltweit ersten CO2-Abscheideanlagen an einem Kraftwerk dort zu erproben. Das Prinzip: Das klimaschädliche Gas wird am Schornstein aufgefangen und danach in unterirdische Lagerfelder verpresst. CCS lautet der Fachbegriff dafür und der Weltklimarat IPCC hält die Technologie für unverzichtbar, um die Welt vor der Klimakatastrophe zu schützen – auch wenn sie noch nicht ausgereift und teuer ist.

„Ohne CCS können wir unmöglich die Klimaziele erreichen“

Doch für die Grünen und ihnen nahestehende Verbände war das Teufelszeug, weil es von der reinen Lehre abwich. Also wurde nichts draus, Vattenfall entwickelt die Technologie mittlerweile in anderen Ländern, während Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) zur Überraschung vieler Parteifreunde im Februar eingestand: „Ohne CCS können wir unmöglich die Klimaziele erreichen.“

Es ist gut, dass der Senat auf dem Kraftwerksgelände in Moorburg jetzt den Kern einer Wasserstoffproduktion für Hamburg installiert. Aber dass dort kein Strom mehr produziert wird, ist nur auf den ersten Blick ein Erfolg. Wenn Grünen-Politiker wie die Fraktionsvorsitzende Jenny Jasberg am Sonntag jubeln, dass aus Moorburgs Türmen „kein Rauch mehr aufsteigt“, dann wirkt dies wie Realitätsverweigerung: Der Strom, den wir gerade in Hamburg verbrauchen, kommt schlicht aus anderen Kohlemeilern, nur dass diese älter und dreckiger sind und einen niedrigeren Wirkungsgrad als Moorburg haben.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp