Julian Reichelt
  • Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt ist vor das Bundesverfassungsgericht gezogen – und hat Recht bekommen.
  • Foto: picture alliance / Norbert Schmidt | Norbert SCHMIDT

Julian Reichelt gewinnt vor Gericht: Manchmal tut Meinungsfreiheit echt weh!

Ausgerechnet Julian Reichelt! Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur hat am Montag einen wichtigen Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht errungen. Das Urteil stärkt die Pressefreiheit, eröffnet Populisten aber wohl auch neue Möglichkeiten.

Reichelt hatte vor dem höchsten deutschen Gericht geklagt, weil er sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzt sah. Der Journalist hatte im August 2023 auf Twitter/X geschrieben: „Deutschland hat in den letzten zwei Jahren 370 MILLIONEN EURO (!!!) Entwicklungshilfe an die TALIBAN (!!!!!!) gezahlt. Wir leben im Irrenhaus, in einem absoluten, kompletten, totalen, historisch einzigartigen Irrenhaus. Was ist das nur für eine Regierung?“. Dazu hatte er einen Artikel seines Portals „Nius“ mit der Überschrift „Deutschland zahlt wieder Entwicklungshilfe für Afghanistan“ verlinkt.

Julian Reichelt siegt vor dem Bundesverfassungsgericht

Die Bundesregierung zerrte Reichelt mit der Begründung „falsche Tatsachenbehauptung“ vor Gericht. Schließlich fließe das Geld nicht an die islamistischen Taliban, sondern an internationale Hilfsorganisationen, die in Afghanistan gegen die dortige humanitäre Krise kämpfen. Das Berliner Kammergericht gab der Bundesregierung mit Verweis auf das „Prinzip des Ehrenschutzes“ recht.

Reichelt zog aber vor das Bundesverfassungsgericht weiter. Und das urteilte: Reichelts Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist verletzt worden! Dem Staat komme „kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu“, der Staat habe „grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten“. Der Schutz staatlicher Einrichtungen dürfe nicht dazu führen, dass diese gegen „öffentliche Kritik“ abgeschirmt würden, heißt es in der Begründung. Die Kritik Reichelts sei auch dann geschützt, wenn sich Meinung und Tatsachen vermengen.

Julian Reichelt: Sein Sieg könnte eine Menge Klagen nach sich ziehen

Das Urteil widerlegt die vor allem in AfD-Kreisen beliebte Behauptung, man dürfe „in Deutschland ja nichts mehr sagen“. Letztlich darf man so ziemlich alles sagen. In manchen Fällen muss man aber damit rechnen, dass die Aussagen gerichtlich überprüft werden. Das Urteil könnte mittelfristig aber noch in ganz andere Bereiche hineinspielen: Beispielsweise hat der Verfassungsschutz vor kurzem die Kategorie „Delegitimierung des Staates“ eingeführt. Diese zielte vor allem auf die „Corona-Leugner“ während der Pandemie ab. Aber auch für die Einschätzungen des Verfassungsschutzes bezüglich der AfD spielt die Kategorie eine wichtige Rolle.

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Es steht also zu erwarten, dass nun eine Reihe von Klagen aus dem rechts-(und vielleicht auch links-)populistischen Milieu folgen, die sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts berufen. Das könnte den Kampf gegen Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erheblich erschweren. Manchmal tut Meinungsfreiheit eben auch weh. Sie bleibt trotzdem eine der größten Errungenschaften der Aufklärung in Europa.

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