Keine Kiew-Reise: Scholz beleidigt? Das ist unwürdig für einen Kanzler
„Wir sind nie beleidigt“: So lautet das „erste Scholz’sche Gesetz“, wie die engsten Hamburger Mitarbeiter von Olaf Scholz gerne erzählen. Leider hält sich der Bundeskanzler ausgerechnet jetzt selbst nicht daran.
Montagabend im ZDF: Scholz erklärt, warum er nicht wie viele andere Staatschefs nach Kiew reist, um ein Zeichen zu setzen, dass Deutschland fest an der Seite der Ukrainer steht. Begründung: Weil die Ukrainer vor Wochen Bundespräsident Steinmeier, der sich quasi selbst nach Kiew eingeladen hatte, nicht sehen wollten. „Das kann man nicht machen“, so Scholz. „Das steht der Sache im Weg.“
Olaf Scholz fährt nicht nach Kiew – und das ist unklug
Alles an dieser Argumentation ist so unklug, dass man sich ernsthaft Sorgen machen muss, wie der wichtigste Politiker Europas beraten wird.
Dass die Ukrainer mitten im Überlebenskampf Steinmeier keine Bühne für eine Reinwaschung seiner katastrophal gescheiterten Russland-Politik bieten wollten, war maximal undiplomatisch – aber auch sehr verständlich. Aus ukrainischer Sicht sollte Steinmeier halt besser in seinem Berliner Schloss darüber nachdenken, warum Deutschland unter seiner ganz persönlichen Führung ein Sonderverhältnis gegenüber Russland über die Köpfe der Osteuropäer hinweg geführt hat.
Olaf Scholz tut beleidigt – das ist unwürdig für einen Kanzler
Olaf Scholz aber sieht das nicht, sondern tut beleidigt. Das an sich ist schon unwürdig für einen Kanzler. Entweder es ergibt Sinn, nach Kiew zu reisen, oder nicht. Sich da von einem politisch angeschlagenen Steinmeier abhängig zu machen, wirkt wenig souverän.
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Auch strategisch stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung das Dilemma auflösen will. Müssen die Ukrainer jetzt erstmal Steinmeier einladen, um Scholz zu sehen – so als eine Art Machtdemonstration aus Berlin, wer das Sagen hat?
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Irritierend auch Scholz‘ Begründung, dass Steinmeier ja gerade erst mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde. Das hat mit der Sache erstens nichts zu tun, zweitens war die Mehrheit für Steinmeier keine Liebeserklärung der Deutschen, sondern Ergebnis eines ausgeklügelten Kungelprozesses der im Bundestag vertretenen Parteien.
Zudem war das leidvolle Thema doch längst durch – und wird jetzt von Scholz wieder aufgewärmt. Wenig hilfreich dabei, dass der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk Scholz zwar sachlich richtig aber ebenfalls maximal undiplomatisch als „beleidigte Leberwurst“ betitelt, damit weiter Öl ins Feuer gießt – und die SPD zwingt, sich hinter Scholz und auch Steinmeier zu stellen.
Europa braucht einen Kanzler, der führt und nicht schmollt
Spätestens jetzt sollte klar sein, dass Steinmeier eine Belastung für Deutschland geworden ist. Scholz aber sollte sich stärker an seinen eigenen Prinzipien orientieren. Europa braucht einen Kanzler, der führt und nicht schmollt. Man kann nur hoffen, dass Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) jetzt zügig an seiner statt nach Kiew fährt.