Letzte Generation
  • Aktivistinnen der „Letzten Generation“ bei einer Blockade in Hamburg. (Archivbild)
  • Foto: IMAGO / aal.photo

Klimakrise: Friedliche Proteste haben nun mal nichts gebracht

Was, bitteschön, könnte man denn noch tun, um gegen die Unfähigkeit der Politik beim Klimaschutz und gegen die Bräsigkeit der Konsumgesellschaft zu agieren und agitieren? Die friedlichen Serienproteste der lieben Menschen von „Fridays for Future“ haben nichts gebracht, gerieten zu Routine und Folklore. Deshalb verfielen vornehmlich junge Menschen in ihrer Verzweiflung darüber, wie wir gerade ihre Zukunft buchstäblich verbrennen, auf die Idee mit den Klebe-Aktionen auf Straßen, Autobahnen und jetzt auch Flughäfen. Nochmal die Frage: Was, bitteschön, sollen sie sonst tun?

Unüberbietbar verlogen zetern jetzt FDP-Politiker, die „Klima-Chaoten“ schadeten der Akzeptanz des Klimaschutzes. Ausgerechnet die FDP, die alles tat und tut, um einen wirksamen Klimaschutz auszubremsen. Sei es mit ihrem Widerstand gegen ein Tempolimit oder gegen das Aus für Verbrenner-Motoren, mit ihrem fanatischen Kampf für mehr Autobahnen, oder mit der politischen Dauer-Sabotage gegen das Bemühen, Öl- und Gasheizungen in Deutschland schneller stillzulegen. Die verlogene Zauberformel der Liberalen, die hübsch klingen soll: „Technologieoffenheit“.

Klima-Proteste: Nicht die Kleber sind die Kriminellen

Auch Union und SPD krakeelen in nur geringfügig unterschiedlicher Lautstärke gegen die Klima-Kleber. Für den stets um sein zackiges Image bemühten nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul von der CDU sind „diese Klima-Chaoten keine Aktivisten, sondern Kriminelle“. Jetzt bitte mal den Schaum vorm Mund abwischen und kurz nachdenken. Wer sind denn wirklich die Chaoten und die – nennen wir sie ruhig so – Kriminellen ?

Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO. privat/hfr
Lütgert
Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Lütgert wurde wegen seiner sozialkritischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO.

Es ist über 50 Jahre her, dass der legendäre „Club of Rome“ warnte, die Industriegesellschaft dürfe nicht weiter so rücksichts- und gedankenlos wirtschaften wie schon damals. Und vor acht Jahren wurde auf einer UN-Klimakonferenz das Ziel definiert, den menschengemachten globalen Temperatur-Anstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Alles, wie wir heute sehen, folgenlos. Die Klimakatastrophe droht nicht nur, sie ist da.

Aus immer mehr Städten weltweit, wo das vor wenigen Jahren noch unvorstellbar war, werden gerade in diesen Tagen Temperaturen von über 40 Grad gemeldet. Kommunen bei uns erarbeiten Notpläne gegen den Wassermangel, anderswo zerstören Überschwemmungen ganze Städte, reißen Menschen in den Tod.

Politik zeigt nicht genug Offensive gegen die Klimakatastrophe

Und wir fahren weiter unsere fetten SUVs mit dem gewaltigen Spritverbrauch und Schadstoffausstoß, Fluggesellschaften freuen sich gerade zu Ferienbeginn über neue Rekorde nach dem Corona-Tief. Dabei gehört gerade die Fliegerei zu den klimaschädlichsten Reiseformen. Und unsere Regierung verabschiedet den Entwurf für ein Klimafolgen-Gesetz. Wohlgemerkt: Kein Gesetz zur Verstärkung des Klimaschutzes, sondern ein Gesetz, das die Folgen von zu wenig Umweltschutz erträglicher machen soll. In Gesetzesform gegossene Resignation.

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Noch einmal: Wir wissen seit Jahren und Jahrzehnten, was gegen die Klimakatastrophe zu tun wäre oder zu tun gewesen wäre. Unsere Politiker aber haben aus Feigheit, Trägheit oder ideologischer Verblendung nichts oder viel zu wenig unternommen. Wir Wähler haben allzu oft jene mit unserer Stimme belohnt, die uns am wenigsten zumuten wollten. Und wer von uns Bürgern hat spürbar sein objektiv rücksichtsloses und klimaschädliches Konsumverhalten eingeschränkt?

Wer also waren und sind die Chaoten? Wer sind die Kriminellen, die sich an der Schöpfung versündigen? Für mich sind es nicht die Klima-Kleber.

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