Kommentar: Rasseliste abschaffen? Gerne! Aber nur gegen einen Hundeführerschein
Große bullige Köpfe, muskulöse Körper und breite Kiefer – ob American Pitbull oder Staffordshire, ihr Ruf als „Kampfmaschinen“ eilt ihnen häufig voraus. In Hamburg gelten sie per Gesetz als „grundsätzlich gefährlich“. Sie fristen ihr Dasein hinter Gittern. Doch ist das die richtige Lösung? Der Hamburger Tierschutzverein fordert jetzt die Abschaffung der Rasseliste. Gute Idee. Aber nur, wenn ein Hundeführerschein eingeführt wird – und zwar für alle!
Am 26. Juni 2000 spielte der sechsjährige Volkan zusammen mit Freunden Fußball. Plötzlich sprangen zwei Hunde über den 1,40 Meter hohen Zaun. Pitbull Zeus und Staffordshire-Hündin Gipsy. Ohne jede Vorwarnung griffen sie an und zerfleischten den kleinen Jungen. Die Hunde wurden erschossen, der Junge starb.
Hamburg: Volkans Tod sorgte in Hamburg für scharfe Gesetze
Eine Tragödie, die hätte verhindert werden können. Der Besitzer war der Polizei wegen diverser Vergehen bekannt. Seine Hunde hatte er zu „Waffen“ erzogen, sie mit Schlägen malträtiert. Immer wieder griffen sie andere Hunde an. Sie liefen frei, ohne Maulkorb, ohne jegliche Sicherung – die Behörden griffen nicht ein. Erst als das Unglück passierte.
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Seit diesem Vorfall gilt in Hamburg das schärfste Hundegesetz der gesamten Republik. „American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier sowie Mischlinge mit diesen Rassen gelten immer als gefährliche Hunde“, heißt es im Hamburger Hundegesetz.
Rassen wird ein Stigma als „Kampfhunde“ übergestülpt
Dabei haben wir Menschen diese Hunde zu dem gemacht was sie sind, ihnen ein Stigma als „Kampfhunde“ übergestülpt und sie dann weggesperrt – als seien sie die Schuldigen in diesem Dilemma. Wir stufen Lebewesen qua Geburt als so gefährlich ein, dass sie die öffentliche Sicherheit einer gesamten Stadt gefährden. Was wir verdrängen: Das Problem hängt häufig am anderen Ende der Leine.
Auch in Hamburg: Häufig sind die Halter schuld nicht die Hunde
Denn meist ist es die Sorglosigkeit der Halter:innen, frei nach dem Motto: „Mein Hund tut nichts, der will nur spielen!“ Hundebesitzer müssen die Verantwortung für ihre Tiere übernehmen, lernen, sie einzuschätzen, und sich nicht zu fein für einen Maulkorb zu sein – der am Ende Leben retten kann.
Wenn die Rasseliste abgeschafft wird, dann muss es einen Hundeführerschein geben – und zwar für alle, egal ob Schäferhund- oder Steffordshire-Besitzer:in. Denn in jeder Rasse gibt es Ausfälle. So zeigt die aktuelle Beißstatistik von 2020 etwa bei 49 verschiedenen Rassen, von Labrador bis Border Collie, Beißvorfälle.
Hamburg braucht einen Hundeführerschein
Ein theoretischer Test bevor der Hund einzieht und ein praktischer mit dem neuen Schützling zusammen, können für mehr Sicherheit sorgen. Statt pauschal Hunde als „grundsätzlich gefährlich“ einzustufen, muss es eine individuelle Betrachtung geben: Werden Hunde auffällig, werden sie beobachtet – sind Halter:innen ungeeignet dürfen sie keinen Hund führen.
Wir dürfen Lebewesen nicht mehr vorverurteilen, sie wegsperren und hinter Gittern sterben lassen. Denn mittlerweile sind die hier als „Kampfhunde“ verschrienen Staffordshire Terrier in England beliebte Familienhunde und werden wegen ihrer starken Bindung zu ihren Familien auch „Nanny Dogs“ genannt.