„Ehrenmord“ – ein Begriff, der die Tat verharmlost
Zwei Afghanen (22 und 25) töten ihre Schwester (34). Der „unmoralische“ Lebensstil der zweifachen Mutter passt ihnen nicht. „Ehrenmord“ oder Femizid? In Berlin entbrennt eine Debatte um die korrekte Benennung dieser Tat. Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) lehnt die Bezeichnung „Ehrenmord“ ab. Zu Recht, denn dieser Begriff ist ein Euphemismus.
Ehre hat mit Mord nichts zu tun. Der Begriff Ehre ist mit Wertschätzung, Ansehen verbunden. Doch die Täter handeln nicht aufgrund eines noblen Motivs, sie üben auch keine Gerechtigkeit. Sie töten einen Menschen aus niedrigen Beweggründen. Wer von „Ehrenmord“ spricht, erhöht die Täter und setzt sie ins Recht. Der Vorstoß von Breitenbach ist demnach kein linkes Identitätspolitik-Blabla oder Zeichen der Ausblendung von Integrationsproblemen, wie der „Focus“-Journalist Ulrich Reitz schreibt.
Wer von „Ehrenmord“ spricht, erhöht die Täter
Doch auch die Frauenrechtlerin Seyran Ates kritisiert Breitenbach scharf. Es wäre in der Integrationspolitik viel gewonnen, wenn akzeptiert würde, dass es so etwas wie „Ehrenmorde“ gibt, sagt die Berliner Rechtsanwältin im RBB-Inforadio. Es sei wichtig, derartige Taten im Namen eines aus anderen Kulturen stammenden Ehrbegriffs auch so zu benennen: „Denn nur so können wir das Problem an der Wurzel fassen.“
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Gibt es Morde aufgrund eines fehlgeleiteten Ehrbegriffs? Ja. Sollten wir diese Morde deshalb „Ehrenmorde“ nennen? Nein. Wer von „Ehrenmord“ spricht, übernimmt den zurückgebliebenen Ehrbegriff der Täter. Es geht hierbei nicht um das Verschleiern der religiös-kulturellen Hintergründe. Anstatt die Opfer zu schützen, wird das Weltbild der Täter unterstützt, in dem die Frau nicht mehr wert ist als die Kuh im Stall – und der Mann nach Belieben über sie verfügen kann.