Trinkgeldvorschläge per Kartenlesegerät: Kleine Revolution oder lästige Bevormundung?
  • Trinkgeldvorschläge per Kartenlesegerät: Kleine Revolution oder lästige Bevormundung?
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Gregor Tholl

Trinkgeld-Debatte: Bitte nicht bevormunden!

Immer mehr Restaurants, Bars und andere Gastronomiebetriebe setzen auf digitale Trinkgeldvorschläge. Was für einige eine kleine Revolution ist, sehen andere als lästigen Versuch, den Gast zum Tip zu nötigen.

Als ich während meiner Studienzeit einige Jahre in der Gastro jobbte, lernte ich Trinkgeld schätzen. War es doch ein attraktives Zubrot und ein Zeichen der Wertschätzung für das Schleppen von Tellern und Gläsern. Auch wenn ich selbst irgendwo zu Gast war, fing ich an, Trinkgeld großzügiger zu geben.

Schließlich wusste ich genau, wie hart und undankbar der Job mitunter sein kann. Heute bin ich jedoch regelmäßig irritiert, wenn mir das Lesegerät beim Bezahlen mit Karte kluge Ratschläge erteilt, wie viel „Tip“ ich doch geben könne – und fühle mich bevormundet.

Trinkgeld ist in Deutschland ein Bonus, keine Selbstverständlichkeit

In Deutschland ist Trinkgeld ein Bonus, eine Selbstverständlichkeit ist es nicht. Damit sollte ein aufmerksamer und freundlicher Service honoriert werden und nicht die Löhne subventioniert. Anders als beispielsweise in den USA erhalten Servicekräfte Mindestlohn oder, gerade in Hamburg, oft auch mehr.

Der Text zum Thema: Trinkgeld-Revolution: Kleiner Kasten – große Verlegenheit

Wenn der Inhaber eines Coffeeshops mit Selbstbedienung der Meinung ist, dass seine Angestellten auf Trinkgelder in Höhe von 15 Prozent und mehr angewiesen sind und sein Bezahlterminal entsprechende Trinkgeld-Vorschläge unterbreitet, sollte er sich fragen, ob er nicht eher mehr Lohn zahlen müsste. Für wenig Geld arbeitet übrigens auch ein Kassierer im Supermarkt. Und hat der sich schon mal über zu wenig Trinkgeld beklagt? Natürlich nicht, denn das Tippen von Kassenpersonal ist völlig unüblich. Obwohl der Job nicht minder anstrengend ist als der eines Kellners oder einer Friseurin.

Ziemlich ungerecht, finde ich.

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