Unfall-Fluch von Flottbek: Waitzstraße muss eine Fußgängerzone werden!
Kommentar –
Sie ist 892 Meter lang, liegt direkt am Bahnhof Othmarschen und gehört zum Stadtteil Groß Flottbek: die Waitzstraße. Hier gibt es vor allem Arztpraxen, kleine Geschäfte, Boutiquen, Cafés. Es ist eine klassische Flaniermeile, Essenz des gemütlichen Lebensstils, wenig aufgeregt, kaum Ketten. Nur eine Sache stört: die Autos. Die dürfen hier nämlich fahren. Sinn macht das nicht – und gefährlich ist es auch.
„Ah, schon wieder“, dachte ich, als eine Mail unseres Polizei-Fotografens im Postfach einlief. Unfall in der Waitzstraße. Ein Rentner ist mit seinem Toyota in eine HNO-Praxis gekracht. Gang und Bremse wurden dabei vermutlich verwechselt. Wie so oft. Passiert im Alter. Nicht schön, aber eben auch nicht so wirklich ungewöhnlich. Wäre da nicht der ständig wiederkehrende Unfallort: die Waitzstraße.
Waitzstraße: Immer wieder krachen Rentner mit ihren Autos in Geschäfte
Obwohl vom Bezirk Altona in Kooperation mit den Grundeigentümern der Waitzstraße die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und Anfahrtsschutz-Barrikaden aus Kübeln und Stelen errichtet wurden, ist es am Samstag wieder passiert.
Ich bin auch schon mit dem Auto durch diese Einkaufsstraße gefahren, habe eingeparkt. Ich kann Ihnen sagen: Sonderlich kompliziert ist das nicht, die Straße ist zwar eng, aber es geht. Theoretisch. Praktisch kann man die Uhr danach stellen, wann wieder ein Rentner oder eine Rentnerin – ohne diskriminierend sein zu wollen – dort einen besagten Unfall baut und in eine Hauswand, einen Eingang oder eine Fensterfront brettert. Da helfen auch Stelen nicht, wie man sehen konnte. Ist die Lücke beim Ausparken zu klein, dann geraten die älteren Leute in Stress, Gas und Bremse wird verwechselt.
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Dass dort noch nicht mehr passiert ist, keine Menschen über- oder angefahren wurden, ist pures Glück. Und hier fängt für mich dann auch der Punkt an, an dem die Politik handeln muss. Damit meine ich nicht so einen Alibi-Austausch mit halbgaren Schutzmaßnahmen, wie es bisher der Fall war. Blumen-Kübel halten eben kein Auto auf, das mit durchgedrücktem Gaspedal anfährt. Überspitzt ausgedrückt gibt es da nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Parkplätze werden mit Weihnachtsmarkt-Beton-Pollern abgeschirmt oder es muss eine Fußgängerzone errichtet werden. Beides wollen die Gewerbetreibenden mutmaßlich nicht wirklich haben, schließlich gibt es genug ältere Othmarscher, die ihre Einkäufe ausschließlich mit dem Auto und nur noch in der Waitzstraße machen.
Volksdorf als Vorbild für die Waitzstraße
Was also tun? Die Antwort kann nur lauten: Eine verordnete Fußgängerzone muss her. Hamburg will die Verkehrswende, viele Teile sollen autofrei werden? Bitteschön, hier kann direkt angefangen werden. Die ÖPNV-Anbindung ist ideal, der S-Bahnhof Othmarschen samt diverser Buslinien liegt direkt dran. Kein Mensch muss dort mit dem Auto hin. Sammeltaxis könnten dort ebenfalls gut halten.
Und die Waitzstraße ist nicht die einzige Einkaufsstraße, die sich für eine Verkehrsberuhigung anbieten würde. Mit „Ottensen macht Platz“ wurde erst vor einiger Zeit der Modellversuch eine autofreie Zone im gleichnamigen Stadtteil beendet – an einer Fortführung wird gearbeitet.
Vorstellbar wäre auch, dass das Schulterblatt oder das Portugiesenviertel in näherer Zukunft autofrei werden. Gedankenspiele dahingehend gab es bereits bei den Grünen, die künftig mit Anjes Tjarks einen Politiker an der Spitze der neugegründeten Verkehrsbehörde haben, der für eine deutlich spür- und sichtbare Verkehrswende stehen soll.
Wilhelmsburg, Bergedorf, St. Pauli: Viele Straßen bieten sich als Fußgängerzone an
Weitere Beispiele für mögliche Fußgängerzonen gibt es genug: die Alte Holstenstraße in Bergedorf wäre denkbar, die Karolinenstraße in St. Pauli, vielleicht einen Teil der Veringstraße in Wilhelmsburg. In Volksdorf soll das Zentrum sogar mal komplett autofrei werden. Hier lebt ein ähnliches Klientel wie in Othmarschen, der Anschluss an den ÖPNV ist ebenfalls gut. Der große Unterschied: Unfälle wie in der Waitzstraße gab es hier in jüngerer Vergangenheit nicht.
Vielleicht sollte man sich im Bezirk Altona von den dortigen Plänen inspirieren lassen. Eine Fußgängerzone erhöht die Lebensqualität – und verhindert, dass nicht doch irgendwann mal Menschen ernsthaft zu Schaden kommen. Und die Waitzstraße könnte der Anfang für zahlreiche Flaniermeilen werden. Die Stadt muss jedenfalls mutiger werden bei derartigen Projekten, um die lautstark propagierte Verkehrswende mit Leben – und nicht nur mit Velo-Routen – zu füllen.