„Wer hat, der gibt“-Mitglied: „Es geht nicht um Solidarität mit den Armen“
Rund 1000 Menschen gingen im „Reichenviertel“ Blankenese für Umverteilung auf die Straße: Die Demo des Bündnisses „Wer hat, der gibt“ am vergangenen Samstag hat polarisiert. Manche attestierten den Protestierenden Neid, ein MOPO-Kommentar forderte hingegen eine inhaltliche Debatte zum Thema und schloss mit dem Appell, das „starke Schultern mehr stemmen“ müssten als schwache – das sei eine Frage der Solidarität. Darauf antwortet hier nun Philipp Zang, Erzieher und Mitglied des Bündnisses:
Egal, was die rechten Wutbürger in die Kommentarspalten schreiben: Die Fakten liegen auf unserer Seite. Das Auseinanderdriften der Schere zwischen arm und reich müssen wir hier nicht erneut beschreiben oder erklären. Auch wurde bereits angesprochen, dass die Lobby des Großkapitals ein mächtiger Gegner ist. Diese Lobbyverbände geben Millionen dafür aus, die öffentliche Meinung zu formen – à la: „Wer viel Geld hat, hat das auch verdient.“ Eine Ansicht, die heute weit verbreitet ist, egal wie offensichtlich falsch dieser neoliberale Glauben ist.
„Es gibt keine schwachen Schultern“
Und genau dieser Punkt wird in eurem Artikel nicht besprochen. Ihr schreibt: „Starke Schultern sollten mehr stemmen als schwache.“ Das ist insofern richtig, als dass eine aufgeklärte Gesellschaft natürlich auch denen ein Leben in Würde ermöglichen muss, denen es aufgrund von Krankheit oder Ähnlichem nicht möglich ist, zu arbeiten und Reichtum zu schaffen. Dieser Satz suggeriert aber, dass „schwache Schultern“, also ökonomisch schwache Mitbürger:innen, weniger stemmen als „starke Schultern“, die ihr dann moralisch in die Pflicht nehmen wollt, sich solidarisch zu verhalten.
Um diesen MOPO-Kommentar geht es: Nach Demo in Reichen-Viertel: Das Totschlag-Argument mit dem Neid
In der Debatte um „systemrelevante“ Jobs wurde deutlich: Die Krise wird gestemmt von vielen Schultern. Und diese Schultern arbeiten hart, der Ausdruck „schwache Schultern“ passt also mitnichten. Diese Schultern erarbeiten jeden Tag in ausdifferenzierter Arbeitsteilung den gesellschaftlichen Reichtum. Oder würde wirklich irgendwer bestreiten, dass die Arbeit von Pfleger:innen weniger wichtig ist als die von CEOs und Managern?
„Es geht nicht um Solidarität“
Es geht also nicht um Solidarität der Reichen mit den Armen. Es geht darum, dass man nur reich wird, wenn man sich überproportional viel des von allen erwirtschafteten Reichtums aneignen kann und darf. Und wer sich wie viel aneignen kann, hat weniger damit zu tun, wie hart er oder sie arbeitet (siehe Krankenpfleger:innen/Erzieher:innen/Putzkräfte etc.), sondern mehr damit, wie viel Macht die Person hat (siehe all die Personen, die seit Corona mehr Millionen als vorher auf dem Konto haben). Wie wird bei uns an wen warum wie viel verteilt? Das sind Fragen, die politisch verändert werden können und noch nie Naturgesetzen unterlagen.
Reich genug ist diese Gesellschaft, kein Kind müsste in Armut leben. Kinderarmut ist wie so vieles eine politische Entscheidung, keine Unumgänglichkeit. Über eine öffentliche Debatte hierüber, unseretwegen gerne mit verschiedenen Standpunkten aus der Politik, würden wir uns freuen.