Mittags auf dem Kiez: Wiedereröffnung: So läuft es jetzt in Hamburgs härtester Kneipe
St. Pauli –
Der Elbschlosskeller, die „härteste Kneipe Hamburgs“, hat seit dem 23. Juli geöffnet. Nach gut vier Monaten Corona-Pause dürfen – unter strengen Auflagen – Stammgäste und Touristen wieder kommen. Die einen haben einfach ihr „Wohnzimmer“ zurück, die anderen besuchen eine Sehenswürdigkeit. Die MOPO hat die Kultkneipe nach der Wiedereröffnung besucht.
Dienstag, 14 Uhr auf dem Hamburger Berg. Draußen vor der Tür des Elbschlosskellers warten die ersten Gäste auf Einlass. Einige Touristen blicken neugierig durch die Fenster ins Innere. Ein alter Mann lehnt gebückt an der Fassade und schaut immer wieder ungeduldig zum Eingang. Vier Stufen führen hinab in den dunklen, verrauchten Raum. Schlagermusik tönt aus der Jukebox, nur wenig Tageslicht fällt durch die Fenster auf die Tische und den langen Tresen. Fünf Tage nach der Wiedereröffnung ist Corona auch hier omnipräsent: Schon am Eingang verweist ein Hinweisschild auf die neuen Abstands- und Hygieneregeln. Plexiglasscheiben trennen die Tische, und um die Bar ist rotes Flatterband gespannt.
Neue Corona-Regeln im Elbschlosskeller: „Wer steht, muss Maske tragen!“
Barkeeper Tobi zählt Geld in die Kasse ein und bereitet sich auf seine erste Schicht nach der Zwangspause vor. „Jeder, der sich nicht an die Regeln hält, wird ohne Diskussion rausgeschmissen“, sagt Inhaber Daniel Schmidt zu seinem Mitarbeiter.
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Die ersten Gäste lassen nicht lange auf sich warten. Ein Mann mit langem grauem Bart torkelt durch die Tür, sofort weist Tobi ihn auf die Maskenpflicht hin. „Wer steht, muss Maske tragen“, so lautet eine der neuen Regeln im Elbschlosskeller.
Stammgast „Spinne“ unterhält die Gäste
Der Mann, den alle nur Spinne nennen, spielt an diesem frühen Nachmittag den Alleinunterhalter: Er singt laut zu Jan Delays „St. Pauli“, spricht alle Gäste an und bestellt ein Bier nach dem anderen. Aus seinem Leben möchte er aber nicht erzählen. Er sei ja schließlich das erste Mal hier. Sein Kumpel un der Barmann lachen.
Treue: Arnold Wurzel ist schon seit 30 Jahren regelmäßiger Gast
Arnold Wurzel ist, wie Spinne, einer der Stammgäste im „Wohnzimmer“. Schon seit 30 Jahren kommt er regelmäßig vorbei. Sogar hinter dem Tresen habe er schon gearbeitet. „Ich bin froh, wieder hier sein zu dürfen“, sagt der kleine Mann, der heute am Tresen sitzt. „Als alles geschlossen war, bin ich zu Penny gegangen, um mir Bier zu kaufen und habe mit Freunden im Freien trinken und rauchen müssen“, erzählt er. „Die Kneipe hat mir gefehlt. Früher bin ich jeden Tag hier gewesen. Es sind immer die gleichen Leute da“.
Härteste Kneipe Hamburgs: „Alle Leute sind hier gleich“
Ein anderes bekanntes Gesicht im Keller ist Tom. Still sitzt er am Tresen, trinkt und beobachtet aufmerksam die Umgebung. „Ich habe in Hamburg ein paar Lieblingskneipen, wo ich abtauchen kann und meine Ruhe habe. Ich bin hier keiner Person Rechenschaft schuldig. Die Leute sind hier alle gleich“, sagt Tom. Ein richtiger Stammgast sei er nicht. „Früher war ich oft mit meiner Frau da, habe ein Bier getrunken und bin rumgetanzt“, erzählt er. „Schade, dass das jetzt nicht mehr geht.“ Denn die neuen Verordnungen beinhalten ein striktes Tanzverbot.
Veränderungen seit der Corona-Schließung: mehr Touristen, weniger Party
Auch Barmann Tobi berichtet von Veränderungen seit der Wiedereröffnung. „Man kann den jetzigen Zustand nicht mit dem vor der Schließung vergleichen. Die Gruppendynamik ist eine ganz andere. Früher haben die Gäste hier unbefangener gefeiert. Heute ist alles sehr an die Tische gebunden, denn jeder der aufsteht, muss eine Maske tragen“, so Tobi.
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„Inzwischen kommen viel mehr Touristen in den Laden“, ergänzt Daniel Schmidt, Inhaber des Elbschlosskellers. Besonders die Touristen seinen sehr darauf bedacht, die Regelungen einzuhalten. Schwierig würde es nur, wenn Gäste zu betrunken sind. „Das Tanzverbot, das wir strikt durchsetzen, wird dann häufiger missachtet“, sagt Schmidt.
Touristenansturm nach der Wiedereröffnung: Das schätzen Hamburg-Besucher am Elbschlosskeller
Bianca und ihre drei Freunde sind Touristen. Sie kommen aus der Pfalz und wollten eigentlich zum Wacken-Festival. Nun also der Hamburger Kiez. Im Rahmen einer Kneipentour besuchen die vier den Elbschlosskeller. Die Wiedereröffnung hält Bianca für sinnvoll: Sie erzählt von Menschenmassen auf der Reeperbahn und auf der Schanze. „Dort trägt niemand eine Maske oder hält Abstand.“ Besser sei das Trinken da, wo Feiern kontrolliert stattfinden kann.
Niclas aus Siegen kommt einmal im Jahr nach Hamburg: Der Besuch in seiner Lieblingskneipe steht bei ihm immer auf dem Programm. „Jeder ist hier gleich. Es ist immer lustig, und man kommt schnell mit interessanten Menschen ins Gespräch“, meint der 22-Jährige. Wegen einer möglichen Infektion macht er sich keine Gedanken: „Die Sicherheitsauflagen werden hier viel konsequenter eingehalten als in anderen Hamburger Bars und Gastronomiebetrieben.“
Video: Während des Lockdowns wurde die Kneipe zur Hilfsorganisation
Wiedereröffnung Elbschlosskeller: Die Menschen haben ihr Wohnzimmer zurück.
Nach einer Stunde verlassen wir Hamburgs härteste Kneipe. Klar wird, was die Wiedereröffnung für die Menschen aus St. Pauli bedeutet: Der Elbschlosskeller ist nicht nur eine Kneipe mit Kultstatus und ein Touristenmagnet, sondern bietet Obdachlosen und Trinkern jederzeit eine Anlaufstelle, manchmal auch einen Arbeits- oder Schlafplatz. Die Wiedereröffnung hat diesen Menschen ihr Wohnzimmer zurückgegeben.