MOPO-Talk: „Ist das Boot voll oder integrieren wir nur zu schlecht?“
Containerdörfer, Hotels oder leere Bürohäuser – obwohl die Stadt ständig neue Unterkünfte für Geflüchtete schafft, sind die Kapazitäten am Limit. In einigen Stadtteilen stoßen geplante Unterbringungen auch auf Widerstand. Politisch führen Sorgen und Ängste im Zusammenhang mit Migration zum Aufwind für rechte Strukturen. Wie kann also Integration wirklich gelingen? Darüber debattierten Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD), Dirk Hauer von der Diakonie Hamburg, Parica Partoshoar, Sprecherin des Integrationsbeirates und Klaus Schomacker, Repräsentant der ehemaligen Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ im MOPO-Talk am Mittwochabend im „Gausz“ in der Gaußstraße (Ottensen).
„Das Boot ist voll“, das ist eine Botschaft, die oft auch von der Hamburger Politik ausgesendet wird, so beginnt MOPO-Kolumnist und Moderator Marco Carini die Runde. „Ist das Boot voll oder integrieren wir nur zu schlecht?“, fragt er seine Gäste. Klaus Schomacker von der ehemaligen Volksinitiative kritisiert, dass es trotz entsprechender Bürgerverträge mit der Stadt im Jahr 2016 weiterhin keine Dezentralisierung von Flüchtlingsunterkünften gebe. Diese würden immer nur in bestimmten Stadtteilen gebaut.
„Die Bürgerverträge fallen uns auf die Füße“
Dirk Hauer von der Diakonie sieht das Problem an anderer Stelle: „Die Bürgerverträge fallen uns heute auf die Füße.“ Sie hätten dafür gesorgt, dass viele große Unterbringungen mit der Perspektive als Wohnraum genutzt zu werden aufgrund der Größendeckelung in den Verträgen nicht gebaut werden konnten. Diese Wohnungen würden heute fehlen.
„Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben eine Krise der sozialen Infrastruktur“, sagt Hauer. Viele Plätze in den öffentlichen Unterbringungen würden durch wohnberechtige Menschen „verstopft“, weil der Wohnungsmarkt nicht funktioniere. Außerdem habe sich die Integrations-Debatte mit den Bürgerverträgen verschoben, hin zu einer „Nicht vor meiner Haustür“-Debatte.
Schlotzhauer: „Natürlich nehmen wir die Sorgen wahr“
Die Sozialsenatorin antwortet: „Die öffentlichen Flächen befinden sich in bestimmten Stadtteilen. Das gefällt mir auch nicht an jeder Stelle.“ Allein im vergangenen Jahr seien mehr als 800 Flächen geprüft worden. Sie habe den Auftrag gegeben, in anderen Stadtteilen Unterbringungen zu organisieren. Die Vorbereitungszeit für eine Unterbringung liege aktuell bei etwa neun Monaten. „Natürlich nehmen wir auch die Sorgen derjenigen wahr, die hier schon wohnen“, so Schlotzhauer.
„Wir sehen in der Gesellschaft oft nur die negativen Dinge beim Thema Integration“, sagt Parica Partoshoar vom Integrationsbeirat. „Wie wir mit den ukrainischen Geflüchteten umgehen zeigt, dass wir etwas dazugelernt haben. Es kann nicht sein, dass wir uns auf einem rechtspopulistischen Weg bewegen und die Migration zum Sündenbock für alle Probleme machen.“ Für ausgebildete Fachkräfte, die Deutschland dringend brauche, werde das Land so immer unattraktiver. Die Bürgerverträge sieht Partoshoar ebenfalls als Auslöser für heutige Probleme auf dem Wohnungsmarkt.
Integration in Hamburg: Was muss besser werden?
Carini fragt seine Gäste nach Lösungswegen: „Was muss jetzt besser gemacht werden?“ Partoshoar und Schlotzhauer vertreten die Position, dass Geflüchtete schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden müssen. „Wir sollten schauen, wie wir Menschen so am Arbeitsplatz integrieren können, dass sie gleichzeitig Deutsch lernen und arbeiten können“, sagt Schlotzhauer. Was die Anerkennung von Berufsqualifikationen angeht, müsse Deutschland ebenfalls besser werden.
Schomaecker findet, die Politik sollte das Umland der Hansestadt stärken, um den Zuzug nach Hamburg zu verringern und einen „Viertelmix“ einführen: Ein Viertel Sozialwohnungen, ein Viertel Wohnraum für Geflüchtete, ein Viertel Miete und ein Viertel Eigentum.
Das könnte Sie auch interessieren: „Nationale Notlage!“ Der dramatische Flüchtlings-Appell des Senats
Hauer sagt, es sei vor allem wichtig Menschen aus den Unterkünften in Wohnungen zu bringen. Partoshoar und er plädieren außerdem dafür, eine andere Haltung im Umgang mit Flüchtlingen zu finden: „Ich würde mir extrem wünschen, dass diese Willkommenskultur von 2015/2016 wieder zurückkommt“, sagt Hauer. „Wir können nicht die Vorstellung haben, dass wir auf der einen Seite einen Migranten in eine Maßnahme stecken und am Ende kommt ein fertig integrierter deutscher Migrant raus. Das ist ein Aushandlungsprozess.“