Museum in Hamburg: Diese Hamburgerin hat mehr als 500 Puppen
Blankenese –
Elke Dröscher hat in ihrem Puppenmuseum am Grotiusweg in Hamburg viel zu zeigen. Wenn sie in ihre Schaukästen blickt, fallen der feingliedrigen 78 Jahre alten Frau zu Stuben und Häusern, Puppen und Accessoires jede Menge Erinnerungen und Wissenswertes ein.
„Die erste Stube habe ich als 22-Jährige bekommen. Und damals wusste ich: Das mach ich jetzt so weiter“, sagt die Sammlerin. Bis dahin hatte sie im Keller und Speicher ihrer Großmutter (Jahrgang 1875) gestöbert, doch der Platz reichte daheim für ihre Fundstücke nicht mehr aus. „Da habe ich den Maßstab geändert.“
Für die Puppen gab sie ihre Hamburger Kunst-Galerie auf
Mehr als 500 zumeist europäische Puppen und etwa 60 Puppenstuben, -häuser, -küchen und Krämerläden hat die Sammlerin zusammengetragen. Ihre Schätze hat sie bei renommierten Auktionshäusern aufgestöbert, über Kleinanzeigen – „mit den dazugehörigen Geschichten“ – erworben oder aus der Nachbarschaft bekommen. „Immer wenn ich gut verdient habe, habe ich gekauft“, sagt Dröscher. Ihre Kunst-Galerie hat die von Malerei und Kunstgeschichte, von Design und Architektur geprägte Geschäftsfrau nach 50 Jahren anno 2018 in Hamburg aufgegeben. Sie will sich fortan ihrer Sammlung und einem bedeutenden Baudenkmal widmen.
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Hamburger Puppenmuseum: Von der Lehrpuppe bis zur Barbie
Den Zeitgeist aus drei Jahrhunderten – von 1780 an bis ins Barbie-Zeitalter – dokumentieren parallel zu den Exponaten historische Bilder, Zeichnungen und Einordnungen. „Zum Lehr-Spielzeug wurden Puppenküchen seit dem frühen 18. Jahrhundert, als sich die Rolle des Kindes in der bürgerlichen Gesellschaft wandelte“, lautet ein Schriftzug. Schon noch frühere Puppenhäuser seien bereits Lehrmittel gewesen, klärt Dröscher auf. Sie weist auf kleine, naturgetreue Capote-Hütchen im Hutsalon. „Es ging darum, Handarbeiten zu lernen“. Einerseits. Und andererseits um damalige gesellschaftliche Gepflogenheiten: „Eine anständige Frau mittleren und älteren Jahrgangs trug auch zu Hause eine Haube.“ Wie im Salon en miniature zu sehen ist.
Französische Puppe fliegt in der 1. Klasse nach Hamburg
In weiteren Vitrinen werden Porzellan- und Wachspuppen ausgestellt. Und Baby-Puppen mit „Charakterkopf“, der aus zweifach gebranntem Porzellan gefertigt worden sei, erläutert Dröscher. Die größte Puppe misst 97 Zentimeter und hat nach Angaben ihrer Entdeckerin sogar einen Flug auf einem Erste-Klasse-Sitz hinter sich, weil sie für den Transport in einem Koffer zu groß war. „Die habe ich in Paris gefunden, sie stammt aus dem 18. Jahrhundert. Damals waren Puppen nicht zum Liebhaben.“ Die noch unbeweglichen Spielzeuge seien vielmehr zum Bekleiden gewesen. „Das waren reine Modepuppen.“ Um historische, kulturelle, soziale Werte und Veränderungen zu erkennen, dazu laden Sammlung und Architektur des Hauses ein.
Video: Video-Fahrt durchs Miniatur-Wunderland
Denn investiert wurde nicht nur in die Sammelleidenschaft. Das Ausstellungsgebäude am Hamburger Elbhang hat Dröscher ebenfalls einiges abverlangt. Mit rund einer Million D-Mark habe sie das 1923 von dem Architekten Karl Schneider (1892-1945) im Stil des Modernen Bauens errichtete Landhaus 1985 instand gesetzt, berichtet sie. Im Jahr darauf wurde die Sammlung in dem unter Denkmalschutz stehenden Haus im Sven-Simon-Park erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
„Meine große Liebe sind die 20er Jahre und das Bauhaus“, gesteht die Museumsleiterin. Die Ausstellung schlägt auch deshalb eine Verbindung zu dem Gropius-Mitarbeiter Schneider, der – als Kultur-Bolschewist angeprangert – 1938 in die USA emigrierte. Die Puppenstube seiner Tochter Christel (1925-2016), im Bauhausstil und mit eben solchem Mobiliar, fällt im Eingangsbereich ins Auge. „Christel hat quasi mit der Architektur ihres Vaters gespielt“, erläutert Dröscher.
Barbie-Puppe mit WM-Outfit der deutschen Fußballerfrauen
Und eine weitere Tochter hat Einfluss auf die Sammlung: Dröschers eigene, Jahrgang 1968, die den Anstoß zum Erwerb etlicher Barbie-Puppen gab. Sogar eine im WM-Outfit der deutschen Fußballfrauen steht jetzt hinter Glas. „Ich konnte Barbie nicht ignorieren. Aber mit denen der Jetzt-Zeit habe ich große Schwierigkeiten.“ Auch wenn ihre Sammlung – zeitgemäß – Puppen mit aufgepolsterten Lippen zeigen müsste.
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Klassische Spielwaren sind bei Kindern noch immer beliebt
Und ebenso die Spielplätze des 21. Jahrhunderts. „Klassische Spielwaren stehen nach wie vor auf den Wunschzetteln der Kids“, teilt der Verband der deutschen Spielwarenindustrie mit. Die Industrie bilde „das Große im Kleinen ab und damit lernen Kinder Fähigkeiten und Fertigkeiten für das Leben“. Und in der Vielfalt an Spielwaren seien auch die klassische Puppenstube und der traditionelle Kaufmannsladen mit jeweils allerlei Zubehör zu finden. Wie Prospekte zur Weihnachtszeit dieses Jahres erneut offenlegten. Jedoch hat Kunststoff als Werkmaterial die einst mit handwerklichem Geschick hergestellten, heutigen Liebhaberstücke längst ersetzt. (dpa)