Nach Tweet zu Corona und Kindern: Hamburger Politikerin massiv angefeindet
Die Twitter-Gemeinde dreht durch: Grund ist ein Tweet von Karin Prien (CDU), Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK). Die frühere CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und jetzige Bildungsministerin in Kiel hatte sich darin zu Covid-Todesfällen unter Kindern geäußert und zur Differenzierung aufgerufen. Das reichte, um die Emotionen der Twitter-Öffentlichkeit hochkochen zu lassen, der Hashtag #PrienRücktritt überholte zeitweise die Kommentare zur Ukrainekrise.
Ursprung der Aufregung war der Tweet einer Nutzerin: „Wir haben in den letzten 4 Wochen 17 tote Kinder gehabt. 17 – in VIER Wochen. Und es geht immer schneller. Bis Oktober 21 hatten wir 27 tote Kinder, seit Oktober 38. Also in 4,5 Monaten mehr als in 18 Monaten. Insgesamt sind 65 Kinder verstorben. FÜNFUNDSECHZIG“.
Darauf twitterte Prien am Freitagabend eine Antwort: „Bitte differenzieren: Kinder sterben. Das ist extrem tragisch. Aber sie sterben mit COVID_19 und nur extrem selten wegen COVID_19.“
Das traf den Nerv jenes Teils der Elternschaft, die das Offenhalten der Schulen als lebensgefährlich für ihre Kinder ansehen. Karin Prien hatte zuvor in einem Interview mit der Bild weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen für Kinder gefordert: „Wir müssen raus aus einer Kultur der Angst an den Schulen.“
Wenn ab Mitte Februar, Anfang März geöffnet werde, müsse auch an Schulen gelockert werden – was viele Eltern befürworten, ist ein Alptraum für jene, die die Durchseuchung ihrer Kinder fürchten. Und diese Gruppe machte mobil: Lange hielt sich der Rücktritt-Hashtag auf Platz 1 der Twitter-Trends.
Karin Prien: Shitstorm nach Tweet zu Kindern und Covid-19
Empathielosigkeit war daraufhin noch einer der harmloseren Vorwürfe, die die Schleswig-Holsteinische Kultusministerin sich im Netz anhören musste. Viele User verlangten eine Entschuldigung oder gleich ihren Rücktritt. „Der neuste Tiefpunkt der CDU. Diese Partei verlässt gerade die menschlichen Gefilde“, so eine Reaktion. Und eine Userin schrieb: „Die Eltern von verstorbenen oder langzeiterkrankten Kindern sind durch Ihre warmherzigen Worte sicher alle sehr getröstet. Sie sind eine Fehlbesetzung für dieses Amt.“
Ein User warf Prien gar vor, Kinder in wertes und unwertes Leben einzuteilen, was „grotesk“ sei angesichts ihrer jüdischen Vorfahren. Karin Prien, die mit Mann und zwei Söhnen in Blankenese lebt, zeigt sich erschüttert über diesen Anwurf: „Das ist ein echter Tiefpunkt.“
Es gibt aber auch viele User, die sich von dem tobenden Shitstorm distanzieren: „Twitter ist, wenn du unter #Prienruecktritt den Rücktritt einer Politikerin forderst, weil sie Fakten nennt“, schreibt einer.
Shitstorm auf Twitter: Unterstützung für Karin Prien
„Liebe @PrienKarin, meine Frau und ich haben selbst schon ein Kind verloren und ein chronisch herzkrankes Kind. Du hast den Sachverhalt korrekt wiedergegeben. Wir finden daran nichts verwerfliches. Der Shitstorm ist unverhältnismäßig #Prien“, twittert ein CDU-Kollege aus NRW.
Auch von Jugendlichen kam Unterstützung: „Als Schülerin kann ich sagen: Danke Prien. Als einzige Politikerin scheint sie an Schüler zu denken. Wir haben die größten Einschränkungen hingenommen obwohl wir die Gruppe sind die am wenigsten gefährdet ist. Wir verdienen Lockerungen. Wer #Prienruecktritt fordert ist lächerlich.“
Tatsächlich gibt die Statistik Karin Prien Recht: Trotz extrem hoher Inzidenzen an den Schulen kommen nur wenige Kinder und Jugendliche mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus, wie auch aus einer Kleinen Anfrage der Linken an den Hamburger Senat hervorgeht. Demnach waren etwa am 19. Januar 450 Covid-19 -Patienten in Hamburger Krankenhäusern, davon 1 Prozent aus der Altersgruppe 11 bis 19 Jahre, obwohl sie 8,7 Prozent an der gesamten Bevölkerung stellen.
Ob diese vier oder fünf jungen Menschen wegen Corona auf Station lagen oder wegen einer anderen Erkrankung und die Infektion nur „nebenbei“ erkannt wurde, das wird statistisch nicht erfasst. Fest steht aber: Die Erkrankungen der Kinder verlaufen in der Regel nicht schwer. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Krankenhaus lag bei dreieinhalb Tagen.