• Ohne Verbote geht es nicht, findet unser Autor.
  • Foto: picture alliance / Ole Spata/dpa

Nach Urteil zu „Autofreies Ottensen“: Meinung: Ohne Verbote geht es nicht mehr!

Klimawandel, Fleischkonsum, Anti-Auto-Politik: „Wie können Sie es wagen, mir Vorschriften machen zu wollen, wie ich mein Leben zu gestalten habe?“, fragte MOPO-Chefreporter Thomas Hirschbiegel vor einigen Wochen in unserem Standpunkt-Format – und steht damit bei weitem nicht alleine da. Nun haben die Verbots-Gegner durch das vorläufige Verbot von „Ottensen-Autofrei“ unerwartet Rückenwind bekommen. Doch das Problem bleibt. Würde alle Welt so leben wie wir in Deutschland, bräuchten wir drei Planeten. Bei Klimawandel und Umweltschutz gilt: Ohne Verbote geht es nicht mehr, meint MOPO-Autor Olivier David.

Autofahren, Fliegen, Fleischkonsum: Dass wir etwas ändern müssen an der Art, wie wir leben, ist fast allen klar. Zumindest denjenigen, mit denen es sich noch zu reden lohnt, denjenigen, die das Argument nicht gegen die Beleidigung getauscht haben.

Verbote, dass ist die DDR 2.0? So ein Quatsch!

Allein über das „wie“ wird gestritten und das ist auch gut so. Während die einen ihr Heil in grünem Wachstum suchen, rufen Unverdrossene, man möge die Rettung der Welt doch bitte dem Markt überlassen. Wieder andere sind für Verbote.

Der Gegenwind, der den Verbots-Befürwortern entgegen bläst, ist enorm. Angeheizt durch das jüngste Urteil gegen ein autofreies Stadtteilzentrum in Hamburg-Ottensen heißt es da: Verbote, das sei die DDR 2.0, das gehe gar nicht. Diese Schnappatmung ist verständlich, da Eingriffe in das Leben von Menschen immer ein sensibles Thema sind. Aber es nützt ja nichts.

Warum es ohne Verbote nicht mehr geht

Die meisten Menschen auf der Welt würden gerne so viel konsumieren wie wir, können aber nicht. Dafür sorgen ungerechte Handelsverträge und Grenzen, die Menschen daran hindern, am Wohlstand unserer Welt teilzuhaben. Eine Verbotsdebatte ist die Reaktion auf dieses Ungleichgewicht, das durch die Klimakatastrophe verstärkt wird – und sie ist längst überfällig.

Klicken Sie hier für alle Informationen zur Bürgerschaftswahl in Hamburg

Verbote sind nichts ungewöhnliches, unser Leben ist schon immer von Einschränkungen geprägt: 1975 verweigerten sich Millionen Autofahrer empört der neu eingeführten Gurtpflicht, weil sie sich in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlten – aus heutiger Sicht ein Witz.

Oder das Rauchverbot: Wenn ich heute noch jemand in geschlossenen Räumen rauchen sehe, sieht das falsch aus für mich. Rauchen im Kino, Flugzeug, Taxi, Restaurant? Zum Glück ein Bild der Vergangenheit. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und Gewohnheiten, das ist die gute Nachricht – können wir ändern.

Unsere Art zu leben ist künftig ohne Verzicht nicht zu bewältigen

Die Weltbank rechnet bis 2050 mit 140 Millionen Klimaflüchtlingen. Ganz einfach: Die Art, wie wir leben, ist ohne Verzicht nicht mehr haltbar. Punkt. Und anders als es von vielen dargestellt wird, ist die Debatte um Verbote keine von „Besser-Verdienern“ und „Gören“ geführte Diskussion, die auf dem Rücken von „einfachen Arbeitern“ ausgetragen wird.

Olivier David zum Corona-Virus.

MOPO-Volontär Olivier David (31) hält Solidarität für geboten.

Foto:

Patrick Sun

Vielmehr ist es eine Debatte die jung und nicht mehr ganz so jung trennt. Also diejenigen, die von den Versprechungen des damaligen Kapitalismus abgeholt wurden und denjenigen, die heute sein Scheitern zu spüren bekommen.

Sascha Lobo: „Die Verzweiflung einer untergehenden Epoche“

Sascha Lobo, Kolumnist beim „Spiegel“, sieht im Konflikt um Verbote die „Verzweiflung einer untergehenden Epoche: Meine Arbeit soll nicht fehlinvestiert gewesen sein, mein Leben soll nicht falsch gelebt worden sein“. Seiner Meinung nach seien das Schein-Konflikte, jenen Menschen, die nun Pöbeln, gehe es um Gesichtswahrung.

Auch das ist verständlich. Aber nur weil man verstehen kann, dass ein bockiges Schulkind nach der Pause nicht in den Unterricht kommen möchte, heißt das nicht, dass es Recht hat. Und mit Verlaub: Das meiste, was sich bei Gegner von Verboten als Argument tarnt, ist am Ende genau das: bockiges stänkern.

Wer Verbote fordert, braucht auch Lösungen

Der einfache Schrei nach Verboten, ohne Vorschläge zu machen, das geht natürlich nicht. Also bitte, hier drei einfache Forderungen, die einen Anfang setzen könnten. Dabei darf es allerdings nicht bleiben. Es braucht eine offene gesellschaftliche Debatte, wo Verbote als politisches Instrument sinnvoll – und nicht populistisch – eingesetzt werden können.

Autofahren: Nein, ein autofreies Ottensen, oder gar eine autofreie Stadt, ist mit der Entscheidung des Hamburger Verwaltungsgerichtes nicht vom Tisch. Wer den Klimawandel ernst nimmt, der kommt an autofreien Innenstädten nicht vorbei. Selbstredend ist die von der Wirtschaft herbeigewünschte Lösung – Elektroautos – keine Alternative. Zu Teuer, zu wenig Energiesparend. Stattdessen führt kein Weg dran vorbei, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen –und bezahlbarer zu machen.

Fliegen: Jetzt will er mir auch noch das Fliegen verbieten? Nein, keine Sorge. Beziehungsweise höchstens ein bisschen. Höhere Steuern für Flüge? Das wäre ungerecht, da sich das viele nicht leisten könnten. Ein Vorschlag: Verbietet endlich Inlandsflüge! Zwei Millionen Tonnen C02 lässt sich damit sparen. Jährlich. Dafür müsste die Deutsche Bahn ihr Angebot allerdings weiter verbessern.

Fleisch: Mit höheren Steuern auf Fleisch verschärft man nur das soziale Gefälle. Stattdessen könnten wir uns endlich darauf einigen, den Import von Futtermitteln aus Südamerika einzustellen. Der zerstört nämlich das Klima, indem riesige Waldflächen für Sojaanbau gerodet werden. 

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp